Birgit Unterholzner, Die Blechbüchse

Buch-Cover

„Verscharre die Blechbüchse im Garten oder sonst wo!“ – Nach so einem ersten Satz muss man als Leser unbedingt wissen, was es da mit der Büchse auf sich hat.

Mutter muss ins Spital, die zehnjährige Tochter vergisst die Büchse und alles drum herum, erst als nach Jahrzehnten die Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, taucht diese Blechbüchse wieder auf.

Vielleicht lässt sich das gesamte Leben auf so einen seltsamen Erinnerungsbehälter reduzieren, niemand weiß, was drin ist, niemand weiß, wo man ihn begraben soll. Die Erzählerin beginnt ihre Trauerarbeit halb mechanisch erwachsen, halb spielerisch wie in Kindertagen.

Wie im Klappentext versprochen, handeln Birgit Unterholzners Erzählungen von Liebe, Sehnsucht, Einsamkeit und Tod, und man fragt sich im ersten Moment, wovon sie eigentlich nicht handeln. Aber gerade diese Verknüpfung von subtilem Anlass und generösem Thema machen diese Erzählungen zu kostbaren Erzählbüchsen, die es zu orten und auszugraben gilt.

In der Erzählung „Dialog in Prag“ strolchen Therese und Franka in einer Art History-Shopping durch Prag. Ihre Gespräche drehen sich mit typischen Sightseeing-Floskeln um die Gegenwart, um das literarische Prag und enden in politischer Correctness beim Gedenken an die Nazi-Opfer.

„Eva Maria“ dreht in der Erzählung gleichen Namens ein paar Runden durchs Altersheim und geistert aus.

„Komm zu mir“ ist eine bizarr spontane Einladung eines Ferngeliebten an die Erzählerin, doch einfach nach Korsika zu kommen. Dort freilich verliert sich die Liebe im Gestrüpp der Insel.

„Das Lächeln der Thaifrau“ schließlich ist eine Dreiecksgeschichte der hexenhaft verzauberten Art. Ein Europäer begibt sich wie üblich in die Arme einer lächelnden Thai-Frau, doch unerwartet kommt die europäische Echtfrau nach und das Trio setzt seine Reise ins Innere Thailands fort.

Allmählich kommen die wahren Kräfte der Thai-Frau zum Vorschein, sie rächt gewissermaßen das gesamte verarmte Land, indem sie den Mondfressergeist nach Europa schickt. Dieser Geist stellt durch bloße Anwesenheit die wahren Fragen nach Glück, Gerechtigkeit, Armut und Lebenssinn.

Natürlich sind die Anlässe für die Erzählungen mit gespreizten Fingern aus der Stoff-Tombola gezogen, aber wenn das Thema einmal steht, geht es durchaus realistisch und stimmig zu. Die fünf Erzählungen sind jeweils in einem anderen Sound ausgeführt, so dass man als Leser noch nicht abschätzen kann, wo sich Birgit Unterholzner eines Tages hin erzählen wird. Noch gleicht sie einer Band, die einen Abend lang alle Stückeln spielen kann, aber vielleicht spielt sie eines Tages ihren eigenen Sound und macht aus einer dieser Erzählungen einen satten Roman daraus, der dann einen ganzen Abend lang in den Leseohren dröhnt.

Birgit Unterholzner, Die Blechbüchse. Erzählungen.
Innsbruck: Skarabaeus 2006, 156 Seiten, EUR 15,90, ISBN 978-3-7082-3201-0

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Birgit Unterholzner, Die Blechbüchse
Homepage: Birgit Unterholzner

 

Helmuth Schönauer, 22-02-2006

Bibliographie

AutorIn

Birgit Unterholzner

Buchtitel

Die Blechbüchse

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

156

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-7082-3201-0

Kurzbiographie AutorIn

Birgit Unterholzner, geb. 1971, lebt in Bozen.