david graeber, schuldenWarum Schulden? Was macht diesen Begriff so seltsam mächtig? […] Aber niemand scheint genau zu wissen, was es damit auf sich hat, oder dar über nachzudenken. Gerade weil wir nicht wissen, was Schulden sind − die Dehnbarkeit des Begriffs ist zugleich die Grundlage seiner Macht. Wenn die Geschichte etwas zeigt, dann dies, dass es keine bessere Methode gibt, auf Gewalt gegründete Beziehungen zu verteidigen und moralisch zu rechtfertigen, als sie in die Sprache von Schuld zu kleiden – vor allem, weil es dann sofort den Anschein hat, als sei das Opfer im Unrecht. (S. 11)

Der englische Anthropologe David Graeber geht der außergewöhnlichen wissenschaftlichen Frage nach dem Wesen von Schulden als Relation im Beziehungsgeflecht menschlicher Gesellschaften nach. Dabei spannt er einen Bogen von mehr als 5.000 Jahren, von den ersten nachweisbaren Schulden bis in unsere Gegenwart, in der Schulden die gesellschaftlichen Verhältnisse ganzer Staaten dominieren können.

thomas sautner, nur zwei alte männerBegonnen ist bald einmal etwas, aber die wahre Kunst zeigt sich beim Aufhören. Thomas Sautner lässt in seinem schelmisch leichten Altersroman zwei Künstler vor unseren Leseaugen ausgeistern. Wie im Märchen sitzen „nur zwei alte Männer“ in ihren zwei Villen in einer ruhigen Vorstadtgegend, alles ist ihnen zu groß geworden, Wohnung, Hosen, Gedanken.

Die beiden Helden treten sparsam auf wie für ein Kammerstück des Fade-out. Joseph Wasserstein hat als ehemaliger Starfotograf die Welt gesehen und beinahe ikonenhaft ins Bild gesetzt, der Nachbar Hakim Elvedin ist gefeierter Tänzer und lässt seinen Körper nur noch für sich und mit sich auftreten. Die Künste von Bild und Bewegung ziehen sich aus ihren Künstlerprotagonisten quasi zurück.

fiston mujila, kasala für meinen kakuEine magische Botschaft besteht üblicherweise aus einem Schlüssel ohne Schloss. - Im Falle der Literatur freilich entsperrt diese Botschaft das gesamte Buch.

Fiston Mwanza Mujila gibt seinem Gedichtband ein Rätsel als Überschrift: „Kasala für meinen Kaku“. Anschließend verschwindet er ins Buchinnere, um freilich in einem prächtigen Interview seine Theorie einer interkontinentalen Literatur darzulegen. Dabei werden auch die Fachbegriffe für deutschsprachige Lesende erklärt, das Interview ist in der Kolonialsprache Französisch gehalten. Überhaupt handelt es sich beim „Kasala“ um ein „Wendebuch“, je nach Bedarf lässt sich das Buch so halten, das vorne die gewünschte Sprache auftaucht und hinten seitenverkehrt die andere.

ruud koopmanns, die asyllotterie„Niemand, der ein Mindestmaß an menschlichem Mitgefühl besitzt, würde bestreiten, dass wir ein Asylrecht brauchen, das eine Wiederholung des schrecklichen, für viele tödlichen Unrechts ausschließt, das jüdischen Flüchtlingen in den 1930 er-Jahren angetan wurde. Leider erfüllt das geltende europäische Asylrecht diesen moralischen Anspruch nicht einmal annähernd.“ (S. 9)

Ruud Koopmans setzt sich mit der Asylpolitik der letzten zehn Jahre auseinander und zeigt Ursachen, Folgen und mögliche Lösungen auf. Dabei kritisiert er die gegenwärtige Asylpolitik als eine Art „Lotterie auf Leben und Tod“, weil sie eine hohe Anzahl an Toten zur Folge habe und vor allem jene vernachlässige, die Hilfe am dringendsten benötigen würden.

dimitri prigow, katja chinesischWie erzählt man ungeschoren in einem totalitären System? – Indem man Zeit, Ort und Handlung aus dem Text herausnimmt.

Dimitri Prigow relativiert als Vertreter des Konzeptualismus seine Kunst mit diversen Tricks und Taktiken. So ist das Genre „Eine fremde Erzählung“ etwas, was nichts mit ihm selbst zu tun hat, was ihm quasi selbst fremd ist, in einem fremden Land spielt, oder ihm von Fremden zugetragen worden ist. Seine Vorsichtsmaßnahmen gegenüber totalitären Systemen, die ihn ein Leben lang herausfordern, retteten ihn nicht immer vor behördlicher Nachstellung. 1986 wird er wegen einer Straßeninstallation in Moskau für ein paar Monate in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen.

martin korte, frisch im kopf„Digitale Medien sind ein einzigartiges Phänomen, weil sie alle Aspekte unseres Lebens berühren: unsere Arbeit, unser Privatleben und wahrscheinlich sogar unsere Art zu denken und zu fühlen. Aber was machen sie mit unseren Gehirnen, vor allem mit denen Heranwachsender? Und vor allem: Welche Effekte haben digitale Medien – insbesondere Smartphones – auf unser Gehirn?“

Kaum eine technische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts hat das Alltagsleben der Menschen so verändert, wie die Entwicklung digitaler Medien, die mittlerweile in alle Bereiche der Gesellschaft eingedrungen sind von der Freizeit über die Schule bis hinein ins Arbeitsleben. Martin Korte zeigt auf, wie sich die Ausbreitung digitaler Medien auf die psychische und intellektuelle Entwicklung des Einzelnen sowie die Gesellschaft im Ganzen auswirkt und was bei der Nutzung digitaler Medien beachtet werden sollte.

anja besand, monitor politische bildung„Wichtig scheint uns gleichwohl zu sein, dass sich […] in den letzten Jahren verstärkte Bemühungen ausmachen lassen, politische Bildung vielfältiger und breiter aufzustellen und in diesem Kontext auch wieder Bildungsbereiche in den Blick zu nehmen, die lange Zeit fast gänzlich aus dem Fokus verschwunden waren. Einer dieser vernachlässigten Bildungsbereiche ist die politische Bildung in den beruflichen Schulen.“ (S. 11)

Berufsschulen stellen für den Bereich der politischen Bildung eine wichtige Zielgruppe dar, lässt sich hier doch eine große Zahl an Jugendlichen erreichen, die während ihrer Ausbildungszeit aktiv in das politische, gesellschaftliche und soziale Leben eintreten. Grund genug, sich näher mit der Vermittlung politischer Bildung speziell im Hinblick auf die Berufsschule auseinanderzusetzen.

franz kabelka, kubanische krokodileFür das große Tourismus-Spiel werden überall auf der Welt Revolutionen eingefroren wie Dornröschen und später in kleinen Dosen von flanierenden Touristen wachgeküsst. Politik und Konsum leben von Bildern im Netz, die uns Tag und Nacht Ausschau halten lassen, ob wir uns mit passenden Selfies mit irgendwelchen Ikonen dazugesellen könnten.

Für Franz Kabelka sind die Genres Krimi oder Thriller nur nebensächliche Gerüste, um eine Story im Buchhandel unterzubringen. Sein Hauptanliegen ist unterhaltsames Durchstreifen von Kulturen und Lebensmodellen, die wir nur mit Hilfe von Klischeebildern zu kennen glauben.

gernot aich, kompetente lehrer„Das Hauptziel der Arbeit liegt darin, ein Konzept zu entwickeln, das es Lehrern ermöglicht sich selbst und andere in Konflikt- und Kommunikationssituationen besser einzuschätzen, um distanzierter, kompetenter und professioneller mit den Problemen ihrer täglichen Arbeit umzugehen.“ (S. 2)

Die Aufgabenbereiche für Lehrkräfte sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten massiv schwieriger und komplexer geworden. Neben der Vermittlung des jeweiligen Unterrichtsstoffes sind Lehrerinnen und Lehrer immer häufiger auch mit Erziehungsaufgaben und Problemen im sozialen Bereich konfrontiert. Die Transaktionsanalyse soll dabei helfen, kommunikative Probleme zu reflektieren und besser mit den Anforderungen des Schulalltags umzugehen.

an marwan, verpuppt„Und woran denkst du?“ – Das Mädchen wurde steif. „An welchen Beruf?“ erklärte er rasch. (20) Sobald Sätze fallen, tun sich Missverständnisse auf. Während sie gesprochen werden, heißt es schon zu erschrecken und sie zurücknehmen. Oder zumindest sie abzufedern, oder nachzufragen, oder abzuwiegeln.
Letztlich entsteht ein Satzbrei vor dem Mund und erstarrt. Dahinter hat sich ein Gedanke verbarrikadiert und verpuppt.

Ana Marwan erzählt rätselhaft klar und verwoben. Am Cover steht Verpuppung. Roman. Als Leser merkt man gleich, dass es sich um etwas handelt, was man nicht nacherzählen kann, und was folglich keinen scharfen Plot hat. Die vorgeschobene Erzählerin weiß, dass der Leser ab und zu einen Suspense braucht.