Buch-CoverManchmal wird ein Ort veredelt durch die Anwesenheit eines Genies, manchmal wird dieser Ort auch zu einem Synonym für das beherbergte Genie. Bei Todtnauberg handelt es sich um einen solchen Wallfahrtsort der Philosophie. Kein Geringerer als Mister Martin Heidegger hat in diesem Schwarzwald-Ort seine Blockhütte aufgestellt und der Welt das Sinnieren über das Wesen, Ent-Wesen und Ver-Wesen beigebracht.

Der Autor Bosko Tomasevic siedelt seine Gedichte im Umfeld dieses mythischen Ortes an, schickt Sehnsüchte nach Todtnauberg, lässt lyrische Figuren aus mehreren Zeiten zueinander sprechen und errichtet so einen Gedächtnisschrein, auf dem die heftigsten Dichter wie Friedrich Hölderlin, Paul Celan oder René Char ihre lyrischen Devotionalien ablegen. Auch Georg Trakl wispert aus dem Lanser Moor bei Innsbruck eine Zeile in Richtung Westen.

Buch-CoverZwischen Italien und Österreich gibt es literarisch gesehen einen Riß, in dem die Südtiroler sitzen. Beide Literaturen lassen einander vermutlich deshalb in Ruhe, weil jede von der anderen annimmt, dass die Südtiroler den Kontakt herstellen werden.

Am Beispiel von Vicenzo Consolo zeigt sich für den deutsch-monolingualen Leser, was sich in Italien für Sprachschätze auftun. Der Folio-Verlag versucht mit seiner Serie Transfer, die eine oder andere Kostbarkeit zugänglich zu machen. Den Roman „Retablo“ erschließt dabei mit großer Übersetzergeduld die Südtiroler Autorin Maria E. Brunner, die auch ein Nachwort über Stoff, Sprachschatz und politischen Kontext des Romans verfasst hat.

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Vielleicht ist "Gehen" nichts anderes als Schreiben mit dem Körper. Wenn man als Leser länger in Waltraud Seidlhofers System herumgeht, löst man sich in einer geschriebenen Gegend auf, während sich der Lesekörper zwischen den Zeilen herumtreibt. Ab und zu vertauschen Schreiben und Gehen ihre Funktionen und hinterlassen eine Stimmung wie nach einer gelungenen Wanderung.

Waltraud Seidlhofers "Gehen" hat etwas mit Dynamik und Stillstand zu tun. Erfahrene Läufer nennen diesen Zustand das Hoovercraften des Laufkörpers, ähnlich einem Helikopter rotiert die Wahrnehmung knapp über dem wahrgenommenen Grund und widersetzt sich der Fortbewegung.

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So ist es in der Provinz üblich. Lange nach dem Tod kriegt ein Künstler eine hinreißende Biographie, an die er selbst in den kühnsten Träumen nicht zu denken gewagt hätte.

Das örtliche Forschungszentrum bietet für die Verflossenen das Beste an Text und Bild auf, während die Zeitgenossen weiterhin zu Lebzeiten verachtet werden, damit man später umso heroischer über sie herfallen kann.

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Absichtslosigkeit, Morphing, Kriegsmetaphorik - im Nachwort hat Petra Ganglbauer penibel aufgelistet, nach welchen Regeln das Skelett des Buches aufgebaut ist, und das Fleisch des Textes muss man als Leser ohnehin selbst Seite für Seite vom Knochen nagen.

Absichtslosigkeit ist ja wohl der häufigste Grund für Leser und Schreiber, sich mit einem Stoff zu beschäftigen. Wohin treibt es jemanden, wenn er sich gehen lässt, wohin gelangt er, wenn er auf der Sprache dahinsegelt, zu welchen Schlüsseln kommt er, wenn er semantisch surft.

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Er heißt Brahms und sie heißt Koller, zusammen ergeben sie Brahmskoller, eine Geschichte in ein Wort verschweißt.

Markus Köhle erzählt in den vollen Bässen einer herkömmlichen Erzählhaltung und gleichzeitig in den Übertönen des Experiments. In der Praxis schaut das dann so aus, dass sich in der Grundgeschichte das Abenteuerliche, Gewöhnliche und überirdisch Triviale abspielt, und immer wieder fallen diese Textvorhänge ein und verschleiern das bisher Erzählte durch ein grell-geiles Muster einer Fundamentalimprovisation.

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Krimis sollte man am Abend lesen, Lyrik am Morgen. Eine kleine Restwahrheit ist dran an dieser Leseempfehlung, schließlich gibt es für manche Tage nichts Aufbauenderes, als am Morgen ein paar Gedichte zu lesen.

Lisa Mayer hat in ihrem jüngsten Gedichtband sogar ein lyrisches Morgenentree geschaffen, worin helle, ermunternde Texte den Leser zu Optimismus einladen. Die Sonne beugt sich quasi vom Balkon ihres eigenen Firmamentes, bürstet das erste Licht des Tages, das Ich betritt den Tag durch eine Apfeltür, jemand pflückt gut gesonnen einen Fächer aus Vogelstimmen und die Welt liegt da in stiller Umarmung.

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"Am Ufer der Frosch / schaut Sonne / und springt.§ (34) Das ist ein sehr sympathischer Frosch, offensichtlich hat er in der Sonne das Programm eines miesen Fernsehkanals gesehen oder eine übergeschminktes Porträt und springt.

Nach seinem groß angelegten wissenschaftlichen Werk "Psychologie und Kunst vom Sehen zur sinnlichen Erkenntnis" vertraut Wolfgang Tunner in diesem Band der verdichteten Lyrikform, die Erkenntnisse sind quasi wie Strecknadeln auf die gigantische Pinwand der Sinnlichkeit gesteckt.

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Tiraden können gesteigert werden! Vor gut sieben Jahren hat Günther Kaip unter dem Universal-Titel "Nacht und Tag" eine Grundtirade veröffentlicht.

Jetzt ist der Text mindestens doppelt so lang und doppelt so heftig. Graphisch hat außerdem Joseph Kühn anständig das Messer gewetzt, um Messerschnitte der archaischen Art zu inszenieren.

Buch-CoverUnter dem Firnis der Schönheit sind die Dinge oft anders und manche Sachverhalte sind ausgesprochen schrecklich und grauenerregend. Die Aufgabe der Literatur muss es sein, diesem Schrecken auf den Grund zu gehen.

Petra Ganglbauer hängt das lyrische Ich in eine aufregende Welt voller Verstrickungen und Verknüpfungen. Wie in einem imaginären Schöpfungsbericht liegt das Ich noch im Dunkeln. "Im Dunkel. Und dann frage ich dorthin." (7) Dieser fragende Zustand zieht sich als Rettungstau durch den Text, letztlich werden Rufe daraus, wie es im Titel des Buches heißt.