Mutter-Literatur ist längst als eigenständiges Genre ausgewiesen, in manchen niedrigschwelligen Buchhandlungen gibt es sogar eigene Mutter-Regale, wo die Bücher über Parade-Mütter ausgestellt sind.
Wolfgang Hermann nennt seine Erzählung „Bildnis meiner Mutter“ und er spielt dabei auf die Porträt-Galerie an, die unter diesem Bildnis-Emblem Meilensteine im Literatursalon ausgehängt hat. Von Peter Handkes „Wunschlosem Unglück“ bis zu Camus „Der Fremde“ mit dem legendären Eingangssatz, „heute ist Mutter gestorben. Oder vielleicht gestern, ich weiß es nicht“ fordert die Mutter jeden Erzähler aufs innigste heraus. Neben der Klärung der Mutterbeziehung ermöglichen diese Romane einen raffinierten Zugang zur jeweiligen Zeitgeschichte, zu den Leitbildern der darin ausgerollten Erziehungsmodelle, und schließlich taucht in Gestalt der Mutter etwas Mythologisches auf, wenn es um die Frage geht, wo kommen wir eigentlich her.