titelbild: Hermann Strasser, Die Erschaffung meiner WeltWir wissen mehr über Arnold Schwarzenegger als über unsere Eltern. (11)

Diese Unwucht des Wissens treibt den Soziologen Hermann Strasser ein Leben lang um, und so lässt ihm das eigene Leben keine Ruhe, bis er nicht die Erschaffung seiner Welt als zeitgenössischen Schöpfungsbericht aufgeschrieben hat. Dabei verwendet er als Wissenschaftler so gut wie alle Medien, als Mensch der Buchkultur freilich kann die Autobiographie nur authentisch sein, wenn sie auch als Buch erscheint. Und was das für ein Buch ist! Obwohl es als sogenanntes Book on demand erst die Hürde der Lektorats-Relevanz nehmen muss, ist es ein Kulturgut, in dem es nach amerikanischer Art gedruckt angenehm in der Hand und vor dem Auge liegt.

In den Hitparaden und Charts gibt es nur Sieger, was aber machen die anderen, die nicht von der Geschmackstombola nach oben gespült werden?

Die Sängerin Alina Simone formuliert es in ihren „Memoiren-Essays“ ziemlich drastisch, den größten Erfolg habe sie mit dem Covern einer unbekannten russischen Untergrundsängerin gehabt. Sonst interessiere sich niemand für sie und wenn, dann höchstens wegen der Geburtsstadt Charkow, wenn diese wieder einmal bombardiert wird.

Essays sind fürs erste einmal große Gedankenflächen, auf denen die Gedanken frei und schwerkraftlos hin und her geschoben werden können, bis sich daraus eine neue Aussage entwickelt hat.

Dorothea Macheiner verschiebt nicht nur die Gattungen Reisebericht und Tagebuch ineinander, sie verknüpft auch die Welt früher Kultstätten auf Malta mit jener der Salzburger Altstadt, worin die Schwester Georg Trakls, Grete, teilweise wie ein Artefakt in Versuchs-Erscheinung tritt.

„Anstatt die Vielfalt mit starren Definitionen in ein Raster zu pressen oder krampfhaft eine große kulturgeschichtliche Linie zu ziehen, wie manche frühere Historiker der Aufklärung es versucht haben, entscheidet sich dieses Buch für ein Mosaik der Ideen, Ereignisse und Gestalten.“ (12)

Mit der Aufklärung erfolgte eine tiefgreifende Umgestaltung der europäischen Gesellschaften, die sich sukzessive von der Bevormundung durch die Religion befreien konnte und nicht mehr das Dogma, sondern allein die Vernunft als Richtschnur und Grenze des wissenschaftlichen und philosophischen Denkens zu akzeptieren bereit war.

„Der Suggestionskraft dieser Heldenerzählung kann man sich schwer entziehen. Sie machte Maria Theresia im Laufe des 19. Jahrhunderts zu der Symbolgestalt österreichischer Staatlichkeit schlechthin. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass das nicht immer so war.“ (X)

Maria Theresia zählt wohl zu den bekanntesten Herrscherinnen der Geschichte und in Österreich ist das mythische Bild der übergroßen Landesmutter weitverbreitet. Dabei spielte die Erinnerung an die „Kaiserin“ in den Schriften zur Zeit der Französischen Revolution schon kaum mehr eine Rolle. Es war das 19. Jahrhundert, das sie wieder auferstehen ließ und ihr die Rolle einer zentralen Symbolgestalt der österreichischen Staatlichkeit zukommen ließ. Anhand eines umfangreichen Quellenmaterials legt Barbara Stollberg-Rilinger minutiös das Bild der Kaiserin und ihrer Zeit vor ihrer Verklärung im 19. Jahrhundert frei.

Die Gitarristin der Kultband „The Slit“ schreibt ihr Leben als Memoir auf und bringt noch einmal eine ganze Generation ins Schwärmen.

Viv Albertine ist Pionierin der englischen Punkbewegung und hat vor allem mit den Sex Pistols und The Clash zu tun, ehe sie die Frauen-Punk-Band The Slits mitbegründet. Die musikalischen Nuancen, Interferenzen und Abstrahlungen werden sicher von Fans und Musikkennern entsprechend gewürdigt werden, für den Punk-Dilettanten ist vor allem das Leben der Viv Albertine aufregend bis hin zur Methode, aus einem wilden Leben ein geordnetes Buch zu schreiben.

„Die vorliegende Darstellung möchte dazu beitragen, Xenophons Persönlichkeit zu verstehen und dabei nicht nur seinen Lebenslauf, seine kulturelle Umwelt, seine literarischen Voraussetzungen und Absichten und seine spezifischen Arbeitstechniken, sondern auch seine politischen Anschauungen und Überzeugungen kennenzulernen.“ (4)

Rainer Nickel ist in seiner Monographie über Xenophon, den antiken griechischen Politiker, Feldherrn und Autor von Werken zur Philosophie, Ökonomie und Geschichte, mit viel Akribie dem Leben, den Anschauungen und Überzeugungen des berühmten Sokrates-Schüler auf der Spur. Den Schwerpunkt der Darstellung bilden seine historischen, pädagogisch-ethischen Schriften sowie seine sokratischen Bücher und Schriften über Sokrates.

Das Konsequente an der Geschichte ist, dass sie als gigantischer DNA-Faden durch die Jahrhunderte zieht und nie aufhört. Alles, was in der sogenannten Gegenwart passiert, hat eine mehr oder weniger historio-genetische Verbindung zur Vergangenheit.

Elisabeth Malleier zeigt am Beispiel zweier alleinerziehender Mütter zur Optionszeit, wie die Sache weitergegangen ist. Und letztlich ist sie selbst Opfer und Produkt der Option.

Bücher sind ja den berühmten Eisbergen ähnlich, wir sehen mit etwas Glück das Cover aus den Katalogen ragen und den Rücken aus den Regalen schimmern. Das Wesentliche und Dauerhafte der Literatur freilich bleibt uns meist verborgen und tritt nur durch Lektüre oder Veranstaltungen manchmal ins Licht der Wahrnehmung.

Georg Bydlinski betreut längst einen eigenen Kosmos an Kinder- und Jugendbüchern und ist ein Markenzeichen geworden, das sich noch immer mit Gitarre und guter Stimmung auf den Weg macht, um in Schul-Lesungen die Wahrnehmung für das leise Abenteuer des Alltags umzukrempeln. Anlässlich seines sechzigsten Geburtstages haben Freundinnen und Vorlassbetreuer einen Reader zusammengestellt, der die Poesie des Autors, seine erstaunliche Geradlinigkeit beim Dichten und seine positive Lebensphilosophie würdigt.

Der Tod kommt ja landläufig gesehen von selbst, wenn es plötzlich Vermittler gibt, die den Tod bringen, wird die Sache unheimlich und gefährlich.

Klaus Rohrmoser lässt seine Figuren in einem, wenn überhaupt, schlecht ausgeleuchteten Ambiente agieren. Das Schicksal ist wie bei Tragödien üblich letal, es geht darum, möglichst lange einen Leuchtkörper in der Finsternis in der Hand zu halten. In den drei Erzählungen von „Tod bringen“ ringen die Helden um eine logische Form, um das Unausweichliche irgendwie in dramaturgisch überschaubare Bahnen zu lenken.