Hermann Winkler, Geschichten eines Mannes

Buch-CoverWenn am Klappentext der Schriftsteller als Wunderguru mit Auszeichnungen und Sternen der Dritten Art herzunterglänzt, wird es für die Leserschaft so richtig interessant, diesen Balsam des gelungenen Lebens mit der Qualität des Textes zu vergleichen.

Im Falle von Hermann Winkler spielt sich bereits auf der Umschlaglasche höchste Literatur ab. Während da Begriffe heruntersegeln wie Student des Jahres, Master of King Hong Kong oder Controller of the year, sind seine literarischen Auszeichnungen nicht minder aus den Socken werfend: Sparkassenpreis alle zwei Jahre und Prosaanerkennungspreis Brixen / Hall.

Aber wer als Leser den Nerv hat, sich durch diese Promotionsorgie hindurch zu fressen, kriegt dann doch zwölf bemerkenswerte Texte zu Gesicht.

Als Markenzeichen dient Hermann Winkler der senkrechte Bruchstrich. Diese in der Werbung für luftige Schriftzüge verwendete graphische Unterbrechung von Gedankenspots benützt der Autor für die Kennzeichnung direkter Reden, für das Hervorheben von suggestiven Merksätzen oder einfach, um Innenwelt und Außenwelt einer Figur mitten im Satz aufzubrechen.

In der Eröffnungsgeschichte „Das Fischmesser“ springen einen Küstenbesucher späte Wellen des jugoslawischen Auflösungskrieges an. Die Strukturen einer Küste, das Aufbrechen von Muscheln mit Messern, der Umgang mit Härte, Seele und Klinge erzeugen diesen metallenen Klacks, der im Innern von Waffen und Psychen hörbar ist, wenn eine Gangart hinauf geschaltet wird. – „Wie sie den Krieg wegstecken, einfach toll.“ (18) Scheinbar ist alles zu einem Arrangement der Coolness geworden, für den Außenstehenden ein Flash aus Sexualität, Begierde und Verstümmelung. Aber hinter diesen Insignien des Kampfes ragen die Gliedmaßen der Leidenschaft als bloße Prothesen zu Boden.

Unter dem schönen Titel „Goldfische auf Bildschirmschonern“ (eine sachte Anspielung an Arno Schmidts Kühe in Halbtrauer) stecken so makabere Sätze wie: „Das Leben ist zum Tinnitus geworden, irgendwie störend, und irgendwie kann man es sich auch nicht mehr ohne vorstellen.“ (26)

Unter dem passenden Aufmacher „Der Abgang“ verliert eine Figur immer wieder die Contenance und wechselt mitten im Schritt den Ort. So verweht es den Helden stracks aus der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße nach Mailand. (72)

Was passiert, wenn man Literatur unter wissenschaftlich ökonomischen Bedingungen zur Nutzenmaximierung zwingt? In einer pervers sachlichen Vorgangsweise kommt die literarische Produktion auf den Prüfstand. Mit Kostenformeln und schroffen Analysen wird dem Text zu Leibe gerückt. Während der Erzählung wehrt sich der Text, dampft, kocht, flutscht aus, aber die wissenschaftliche Vorgangsweise verhöhnt ihn und stopft ihn wie eine auslappende Socke auf jeder Seite zurück ins Gedankenkorsett.

Hermann Winklers Geschichten sind Versuche, mit dem Wissen von Marketing und Management weltoffen zu erzählen. Die frechen Ansätze sprudeln dabei auch den erzählten Stoff ordentlich auf. Als Leser sitzt man staunend vor diesen zwölf Texten, die der Autor mit Pipetten aus dem Stoffbottich gehoben hat. Irgendwann werden diese Texte wohl aus dem Erzählröhrchen entlassen, dann entsteht daraus vielleicht ein echter Roman.

Hermann Winkler, Geschichten eines Mannes.
Bozen: Edition Raetia 2006. 142 Seiten. EUR 9,50. ISBN 978-88-7283-271-4

 

Weiterführende Links:
Edition-Raetia: Hermann Winkler, Geschichten eines Mannes

 

Helmuth Schönauer, 31-01-2007

Bibliographie

AutorIn

Hermann Winkler

Buchtitel

Geschichten eines Mannes

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

142

Preis in EUR

9,50

ISBN

978-88-7283-271-4

Kurzbiographie AutorIn

Hermann Winkler, geb. 1977 in Pfalzen, ist Manager und Schriftsteller.