Hans Salcher, Vater

Buch-CoverDein Bild ist gemalt / wir bewundern es jeden Tag! – Bereits diese Präambel, die wie ein Grabstein vor die Erzählung gemeißelt ist, lässt erahnen, mit welcher Inbrunst hier ein Vaterbild an die Wand der Erinnerung gehängt wird.

Die strengen Züge des Vaters werden Absatz für Absatz entstrafft, bis allmählich ein gutmütiges, wohlwollenden und trauriges Erinnerungsbild übrig bleibt.

Der Beobachter ist ein Erwachsener, der sich in den Beobachtungswinkel eines Kindes beugt. Mit dem Blickwinkel von unten her wird auch die Sprache vorsichtig, kühn und überaus bildreich. Der Vater neigt sich plötzlich wie eine müde Blume zum Kind, während er ein Pferd hält, das sein Freund ist.

Im durchaus religiösen Umfeld Osttirols, worin diese Erzählung entstanden ist, kann man als Leser immer auch den Himmelvater mitschwingen lassen, wenn sich eine müde Blume herniederbeugt, wie ein höheres Wesen.

Meist ist der Vater nur ein Schatten im Hintergrund, während vorne sich eine Landschaft aufwirft, seltsame Wetterkonstellationen auftreten oder überhaupt bloß die Jahreszeiten in einander greifen wie harmonisch geschmierte Zahnräder.

Allmählich bildet sich das wahre Schicksal dieses seltsam diffusen Gott-Menschen heraus. Der Held des Hintergrunds ist ein kaputter Kriegsheimkehrer, dem es die Sprache und wohl auch den Lebenssinn verschlagen hat. Als Eremit zieht er sich immer wieder in die Waldhütte zurück und kommuniziert oft nur mit einer Sammlung von Spiegel, die er in einer Schatztruhe versteckt hat. Aber was ist schon ein Spiegelbild und was bloß die Vorstellung des Kindes, das dieses Fabelwesen seltsam verklärt ehrfürchtig liebt?

In poetischen Sätzen, wie sie in versunkenen Märchenwelten ausgesprochen werden, versucht das Kind immer wieder, diesem seltsamen Mann ab und zu mit einem kleinen Satz eine Erklärung für die ganze Welt abzuringen. Aber der Vater schweigt fast durchgehend, nur verschiedene Stimmen aus dem Dorf zerreißen sich das Maul, ob es sich nun um den Pfarrer, den Bürgermeister oder die Dorftratsche handelt.

Nur die Mutter findet ab und zu ein erklärendes Wort auf die Frage, weshalb der Vater alle Spiegel im Haus aufhänge. –

Bub, er will das Böse abwenden. (62)

Hans Salchers Erzählung ist ein intensives Erzählgedicht, das immer wieder mit den unverbrauchten Augen eines Kindes auf die kleine Welt seiner Umgebung blickt. Das Vaterbild wird an einem poetischen Nagel zwischen Himmel und schwerer Erde aufgeputzt, und zwischen den Zeilen entsteht eine sachte Nachkriegsgeschichte, die in beeindruckenden Bildern von jenen verstörten Männern erzählt, die kaum fähig waren, mit der nächsten Generation zu sprechen.

Hans Salcher, Vater. Erzählung.
Innsbruck: Skarabaeus 2007. 69 Seiten. 12,90. EUR. ISBN 978-3-7082-3227-0.

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Hans Salcher, Vater
Gemeinde Assling: Hans Salcher

 

Helmuth Schönauer, 19-09-2007

Bibliographie

AutorIn

Hans Salcher

Buchtitel

Vater

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

69

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-7082-3227-0

Kurzbiographie AutorIn

Hans Salcher, geb. 1956 in Lienz, lebt in Lienz.