Otto Grünmandl, Pizarrini

Buch-CoverSelbst die größte Ordnung kann durch eine kleine Begebenheit mitten entzwei brechen. Otto Grünmandl bittet im ersten Kapitel seinen Buchhalter Pizarrini vor den Vorhang.

Dieser Vorhang ist ein Viertel aus dem ehemaligen Stadttheatervorhang, ein anderes Viertel wird übrigens beim Leichenbestatter für das Austrapieren von Särgen verwendet.

In diesem Roman hat alles seine Ordnung, eins nach dem anderen wird erzählt und jede Ausschweifung kommt verlässlich zum Thema zurück, das heißt: Ordnung!

Pizarrini, vielleicht eine phonetische Abschweifung des Wortes "bizarr", ist ordnungsliebender Buchhalter, der täglich um zehn seine Käsesemmel isst. Eines Tages entdeckt er eine gewisse Leere in sich und geht in der Mittagspause in ein Bordell. Dort sitzt er zwar bei einer Dame, bezahlt den Tarif und gibt noch die Hälfte als Trinkgeld drauf, aber er kann sich zu keiner Erotik entschließen. Als ihn die Dame fragt, warum er dann überhaupt gekommen sei, sagt er den klassischen Satz "Der Ordnung halber".

Nach der Arbeit überlegt Pizarrini kurz, sich das Geld zurückzuholen, weil er ja keine Gegenleistung erhalten hat. Aber dann geht er doch ins Gasthaus, um sich ordentlich in einen Verdrängungs-Suff zu stürzen.

Ab jetzt ist alles wahr wie im Suff und real wie in der Buchhaltung. Zwei Typen stürzen sich auf den Buchhalter, weil sie merken, dass er Geld hat und sich ausnehmen lässt. Sie stellen sich als Präsident der Speisewagengesellschaft und Ingenieur für Roboter vor. Diese Kombination ist übrigens genial, denn der Ingenieur bastelt Fressmaschinen, die Allerweltsätze von sich geben und im Speisewagen platziert werden. So werden die anwesenden Gäste zu weiterem Konsum angeregt.

Während im Gasthaus ordentlich gezecht wird, taucht Pizarrini immer heftiger in die Illumination ab. Mal bestattet er den Chef persönlich, dann heuert er wieder als Oberbuchhalter bei der Speisewagengesellschaft an, schließlich bekommt er ein furchtbar schnelles aber fades Auto geschenkt und schenkt es weiter, es kommt zu vertrackten Hochzeiten und anderen Festivitäten.

Als Leser ist man bald einmal völlig illuminiert vom Chaos der Wahrnehmungsebenen. Gerade was sich als diliriös erweist, ist letztlich ein Haltegriff für den Erzählvorgang, wo man mit größter Übertreibung rechnet, kommen die klügsten Sätze zum Vorschein. Und während man lacht, wird man prompt zur Ordnung gerufen.

Otto Grünmandl erzählt wie ein Paternoster die Ebenen hinauf und hinunter, die Ausschweifung wird zur Handlung, die Erkenntnis zu einem Balkon der samt Leser ins Bodenlose abstürzt. Dieser Roman aus dem Nachlass ist eine Schatztruhe, in der man wühlt und wühlt bis man restlich hinter diesen mannigfachen Viertel-Erzählvorhängen verschwunden ist.

Otto Grünmandl, Pizarrini. Roman. Nachwort von Eckhard Henscheid.
Innsbruck: Kyrene 2008. 192 Seiten. 19,90. EUR. ISBN 978-3-90009-33-5.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag: Reihe alte Autoren
Know me: Otto Grünmandl

 

Helmuth Schönauer, 14-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Otto Grünmandl

Buchtitel

Pizarrini

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

192

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-90009-33-5

Kurzbiographie AutorIn

Otto Grünmandl, geb. 1924 in Hall in Tirol, starb 2000 in Hall in Tirol.