Reinhard Kocznar, Draculina

Buch-CoverModerne Vampire saugen leise und weiblich! - Draculina bringt endlich die Gender-Diskussion auch auf dem Horror-Sektor weiter.

Reinhard Kocznar schickt seine Heldinnen und Helden in ein unauffälliges Set am Immobilienmarkt. Eine Dolmetscherin aus Rumänien soll den Besuch ihrer Gräfin vorbereiten, welche östlich von Wien eine Immobilie kaufen will.

Dann passiert scheinbar gar nichts, aber richtig zusammengelesen berichten lokale Zeitungen, Passanten und eine rekonstruierte Festplatte von ungeheuerlichen Vorgängen. Polizeieinsätze in der Nacht, eine Tote in der Wohnanlage, und rätselhafte Schwächeanfälle scheinbar gesunder Personen lassen seltsame Zusammenhänge erahnen.

Ein unbekannter Akteur hinterlässt schließlich eine anonyme Niederschrift, welche aus seiner Sicht den wahren Ablauf der gruseligen Verbrechen dokumentiert.

Es geht um Vampirismus. Wobei der moderne Vampirismus völlig alltäglich zu Tage tritt. Da kann eine Herzschwäche, die ein blutgerinnendes Mittel nach sich zieht, völlige Verwirrung bei den Vampiren auslösen. Einen Fotografen, der auf Regenaufnahmen spezialisiert ist, kann das Verschwinden von Figuren in Spiegelungen wahnsinnig machen, und plötzlicher Nebel und die spontane Ansammlung von Ratten deuten auf Vampirismus hin.

Ein Vampir muss bei seinem ersten Besuch bei seinem Opfer immer um Einlass bitten, wird dieser verweigert, hat das Opfer gute Chancen, heil davon zu kommen. Wehe aber, man lässt einen Vampir, in unserem Falle auch eine Vampirin (oder soll man von Vampeuse sprechen) einmal gewähren! Dann gibt es keine Rettung mehr, denn auch der berühmte Knoblauch als Abwehrkreis ausgelegt oder der Holzpflock mitten ins Herz des Unruhestifters getrieben, bringen nichts.

Im modernen Vampirismus wird auch mit transplantierten Herzen und Blutkonserven gearbeitet, bei der Menge an Transfusionen, die täglich anfallen, ist ein schleichender Vampirismus unabwendbar.

Hinter diesen fast an ein Überlebenscamp erinnernde Thesen steckt im Roman Draculina freilich eine handfeste Handlung, der Plot jagt sich phasenweise selbst um die Ecke, auf jeder Seite tauchen überraschende Wendungen auf und die Dialoge sind in einer verbalen Handgreiflichkeit gehalten, dass man als Leser oft vergisst, in einem draculösen Gruselszenario zu sitzen.

Die Auflösung der blutigen Verquickung wird hier freilich nicht verraten.

Reinhard Kocznar hat erzähltechnisch fein ausgetüftelt etwas recht Seltenes geschafft. Er bedient sich frech eines Genres, ohne dies zu beschädigen und setzt ihm einen neuen Erzählpflock ins Herz. Er ironisiert die gängigen Versatzstücke der Dracula-Romane, und erweckt sie dadurch zu glaubhaftem Realismus. Er erzählt den Mythos aus rumänischen Zeiten in einem international verstrickten Sound moderner Geschäftstransaktionen.

Und die Zweiteilung des Romans in einen vorderen Teil mit öffentlicher Wahrnehmung und einen hinteren Teil mit einem rasenden Kommentar eines Akteurs gibt dem Roman innen und außen einen schrillen blutigen Schliff. Der moderne Dracula-Roman ist also weiblich, hochtechnisiert und an der aufgeschnittenen Pulsader der Zeit!

Reinhard Kocznar, Draculina. Roman.
Innsbruck: Edition KoCheck 2008. 127 Seiten. EUR 13,50. ISBN 978-1-84799-131-7.

 

Weiterterführende Links:
Homepage: Reinhard Kocznar - Draculina

 

Helmuth Schönauer, 16-04-2008

Bibliographie

AutorIn

Reinhard Kocznar

Buchtitel

Draculina

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition KoCheck

Seitenzahl

127

Preis in EUR

13,50

ISBN

978-1-84799-131-7

Kurzbiographie AutorIn

Reinhard Kocznar, geb. 1951, lebt in Innsbruck.