Hellmut von Cube, Mein Leben bei den Trollen

Buch-CoverToll, die Tiroler, ein kleiner Fetzen des Beobachters, und schon ist daraus ein Troll geworden. Feine Wochenend-Leute, wenn sie sich über den Samstags-Misthaufen lustig machen, geraten oft selbst in eine Situation, worin sich der Rezipient die Nase zuhält.

Das ist das Problem von Hellmut von Cube, er betritt Südtirol mit der Aura eines Besserwissers und erlebt nur Gagga. Darin gleicht er dem südtiroler Nachwortschreiber Herbert Rosendorfer, der ja seit seinem richterlichen Aufenthalt in der Wagnerstadt Bayreuth weiß, wie Provinz, Südtirol und Moral für die Nachwelt im Bozner Ambiente zu verankern sind.

In den fünfziger Jahren war es üblich, dass teil-entnazifizierte Größen des Kulturgeschehens in die Provinz gereist sind, um den kulturellen Welt-Mann (teilweise mit konkreter Zipfel-Entblößung) darzustellen. So ein Schicksal hat offensichtlich auch das Schnals-Tal getroffen, worin der wohlbestallte Mister von Cube abgestiegen ist. Alles Geschehen seiner fiktionalen Welt ist ferienhalber zu einem Troll geworden.

Nun, ich hause hier in einer Höhe von 2000 Metern, also bei Volltrollen, ja, bei Erztrollen, auf einem schmalen Bergabsatz genau im Lawinenschatten. (11)

Die einzelnen Sequenzen mögen ja durchaus einmal witzig geklungen haben, aber aus allen Nasenlöchern röchelt es ab jetzt nach Klamottendarstellern in den typischen Farben schwarz-weiß-alpin. Frauen haben sofort Gesichtsausdrücke, welche jenseits von Entbehrung liegen, die Männer ein Lechzen, das mit dem Begriff "genital" am ehesten zu erklären ist.

Die Protagonisten erfüllen alle Klischees, die man im peripheren Genäse der Adenauer-Zeit an den Rändern der Bonner Republik als Außengrenze installieren konnte. Dass die Südtiroler im Text alle als permanente Handaufhalter für jede Münze vorkommen, veredelt nicht Cubes feriale Erzählanmaßung.

Die Realität ist nämlich vielleicht folgende: Die Trolle haben naturgemäß Heimatromane im Leseprogramm und lassen sich bei Bedarf ein paar Münzen in die Hand drücken, was erstens dem Klischee des Heimatromans entspricht und zweitens der Mentalität des Südtirolers. (Gibt es eine Situation, wo sich ein Südtiroler nicht eine Münze in irgendwas drücken lässt?)

Die Gestalt des Textes entspricht am ehesten einer Kriegspost, zweihundert Seiten lang "Mein Lieber", das zu gedulden, kann nur Aufgabe eines Publikums sein, dem der Autor den Erzähl-Krieg erklärt hat.

Als Zeitdokument mag der Text nicht uninteressant sein, aber für diesen Zweck gibt es längst an der Uni Innsbruck ein digitalisiertes Programm. Als Lese-Text mag es ja gut gemeint sein, aber um im Jargon der Herren von Vor- und Nachwörtern zu reden, "es ist weder gezeugt noch gewixt"!

Wir sollten Texte nie jenseits der Themenstellung vergleichen. Aber beim frechen Tirol-Roman von Sepp Schluiferer, Fern von Europa, (1909), da fährt ein anderer Sound ab!

Hellmut von Cube, Mein Leben bei den Trollen
Bozen: Edition Raetia 2008. 211 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-88-7283-321-6.

Hellmut von Cube, geb. 1907 in Stuttgart, starb 1979 in München. Ferien-Aufenthalte im Schnals-Tal, dem Ur-Kosmos der Trolle.

 

Weiterführende Links:
Edition-Raetia: Hellmut von Cube, Mein Leben bei den Trollen
Wikipedia: Hellmut von Cube

 

Helmuth Schönauer, 28-07-2008

Bibliographie

AutorIn

Hellmut von Cube

Buchtitel

Mein Leben bei den Trollen

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

211

Preis in EUR

17,90

ISBN

9788-88-7283-321-6

Kurzbiographie AutorIn

Hellmut von Cube, geb. 1907 in Stuttgart, starb 1979 in München. Ferien-Aufenthalte im Schnals-Tal, dem Ur-Kosmos der Trolle.