Lissy Pernthaler, Lorbeer und Zitrone

Buch-CoverAm Balkon stehen oft die ungewöhnlichsten Pflanzen beisammen. Jede hat ihre eigene Geschichte und blüht in dieser ungewöhnlichen Umgebung ihrem Ende entgegen.

In den seltsamen Begegnungsgeschichten von Lissy Pernthaler kommen auf diese Art ein Lorbeerbaum und ein Zitronenbaum nebeneinander zu stehen. Und diese Botanik ist eigentlich nichts Besonderes, denn auch die Menschen mit ihren Hormonen kommen immer wieder nebeneinander zu stehen und machen sich untereinander die nächstbeste Liebesgeschichte aus.

In den vierzehn Geschichten geht es vielleicht nur um eine einzige Große Liebesgeschichte, die zum Inhalt hat: "es ist unmöglich eine liebe in einen satz zu quetschen." (38) So wird diese Liebesgeschichte aufgeteilt auf unzählige Zufallspersonen und Ereignisse. Die Figuren bewegen sich vor Kulissen, die gerade jemand vergessen hat, alles wird zu spontanen Regieanweisungen für Gefühle verkürzt, die Dramaturgie des schnellen Schnittes beschleunigt die Erlebnisse, noch ehe sie wahr genommen werden können.

Bemerkenswert ist die Verbindung von trivialen und hohen Ereignissen, die jeweils ungeniert eine seltsame Begegnung auslösen.

So pendeln bereits in der ersten Sequenz "Ariel" die Verliebten zwischen Todesfall, Klinik und Zähneputzen hin und her. Vater kriegt einen Herzinfarkt, einen Verwandte ein Kind, und die Erzählerin einen Geliebten für die Nacht, der sich erst beim Zähneputzen so richtig in sie verknallt.

Einmal lautet das Motto: "Vorsichtig falsch", die Figuren beschnuppern einander argwöhnisch und  fallen dann doch wieder unbeschwert und easy wie Hunde übereinander her. Dabei spielt das Geschlecht gar nicht einmal eine besondere Rolle, als beispielsweise wieder einmal eine Begegnung im Bett angesagt ist, stinkt Kevin nach Bier und die Ich-Erzählerin nach Vanille, weil sie gerade von ihrer Geliebten kommt.

Manchmal lässt sich auf Anhieb gar nicht erkennen, was das Gegenüber so meint.

dann versuchte sie mir etwas zu sagen. ich hörte das rauschen des meeres wieder. Karolines lippen formten worte, aber kein ton war zu hören. (10)

An anderer Stelle geht es um pure Trivialität in einem Biergarten, aber auch hier muss zumindest eine der anwesenden Figuren etwas mit der Liebe anfangen.

Irgendwo liegt ein Kreuzworträtsel aufgeschlagen, das jemand bereits aufgelöst hat und flugs entsteht daraus seine Beziehung. In der Titelgeschichte "Lorbeer und Zitrone" stirbt der eine Lover und der nächste bricht in die Wohnung ein und macht weiter.

Selbst öffentliche Katastrophenwarnungen vor einem Orkan führen zu dem sensationell offenherzigen Vorschlag: liebt euch noch schnell einmal, denn die Welt geht unter.

Lissy Pernthaler erzählt mit der Häckselmaschine der Ironie. Aus jeder noch so kleinen Begebenheit kann ein heftiger Gefühlsausbruch heraus züngeln, der sich aber ruhig stellen lässt durch banale Sätze. Und die Figuren drehen sich mit einer Geschwindigkeit, dass Schnitzlers Reigen geradezu ein abgefahrener Autoreifen ist. - Toll, frech, ironisch! Jegliche Romantik wird stracks in das Weltall des Alltags katapultiert, damit sie sofort verglüht.

Lissy Pernthaler, Lorbeer und Zitrone. Prosa.
Innsbruck: Skarabaeus 2009. 153 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7082-3260-7.

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Lissy Pernthaler, Lorbeer und Zitrone
Homepage: Lissy Pernthaler

 

Helmuth Schönauer, 14-04-2009

Bibliographie

AutorIn

Lissy Pernthaler

Buchtitel

Lorbeer und Zitrone

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

153

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7082-3260-7

Kurzbiographie AutorIn

Lissy Pernthaler, geb. 1983 in Bozen, lebt in Berlin und Kaltern.