Alois Schöpf, Platzkonzert

Buch-CoverEin begeisterter Musiker gliedert sein Leben nach musikalischen Höhepunkten und führt allmählich sein eigenes Leben in einen Höhepunkt über.

So ungefähr mag die Dramaturgie des Essays Platzkonzert lauten, und dieser Essay samt Erinnerung erweckt im Leser naturgemäß die Lust, sich mit der Musik zu beschäftigen, ohne deshalb in die Lebensphilosophie des Autors zu verfallen.

Alois Schöpf beginnt sein "Musikstück" mit den Vorbereitungen zu einem Blasmusikkonzert in der Türkei, der Aufwand einer solchen Tournee ist bei einer Musikkapelle beinahe gleich groß wie bei einem professionellen Symphonieorchester. Im Gegenteil, da es sich bei einer Musikkapelle um professionelle Amateure handelt, muss jeweils auch die Arbeitswelt der Musiker organisiert werden.

In einem Erinnerungsbogen geht es dann zurück zu den markantesten Hörerlebnissen des Autors: glückliche Kindheit in einem Landgasthof, in dem nächtelang musiziert worden ist, religiös unterlegte Musikszenerie im Jesuitengymnasium, musikalische Pubertät in der Dorfkapelle und schließlich die Abreise nach Wien. Als der junge Dorfmusikant seine Dienstklarinette abgibt, kommt er zum Schluss:

So blieb auch hier die Traditionspflege jenen überlassen, die im Dorf zurückbleiben müssen, weil sie nicht in einer fernen Stadt studieren und eine glänzende Karriere in der großen weiten Welt anstreben können. (150)

In die persönliche Musikgeschichte ist natürlich auch die große Geschichte der Blasmusik eingeflochten. Teils anekdotenhaft, teils als handfeste Thesen werden kühne Überlegungen zur generellen Geschichte formuliert, welche in der Musik ihre Spuren hinterlassen hat. Da heißt es etwa: "Der Marsch ist die Musik des öffentlichen Gehens." (113) Daraus lässt sich für unsere Alltagskultur ableiten, wer wann und warum öffentlich gehen muss.

Aber auch die Entwicklung der Musikinstrumente hat mit Politik zu tun, zwischen einem Saxophon voller Aufklärung und einem Flügelhorn barocker Zeremonie liegen einfach Welten.

Immer wieder schlägt die Lust nach Askese durch, wenn der Autor dichotomisch den Sex gegen die Kunst ausspielt. Man versäume beim Sex absolut nichts, lautet so eine These, und diese Zeit sinnlosen "Dahin-Sexens" könnte man nützen, um halbwegs die Grundkenntnisse der Europäischen Kultur zu begreifen. (90)

Die schönste Stelle des Essays ist wohl die Überlegung, wonach Geburtenregelung einfach funktionieren würde, wenn man in der Schule gezwungen würde, ständig Sex zu haben. (73) Denn alles, was in der Schule geschieht, bewirkt das Gegenteil.

Alois Schöpfs Platzkonzert ist eine wundersame Art, das eigene Leben in halbwegs erfüllter Harmonie sich um die Ohren wehen zu lassen. Während in diversen Biographien oft die Reisen, Studien oder Partnerschaften die einzelnen Sequenzen begleiten, ist es in diesem Falle die berauschende Musik, die letztlich jeder hören kann, der sie hören will.

Es ist schwer, über Musik zu schreiben, aber es geht, heißt es einmal, und an anderer Stelle, man kann Musik nicht abkürzen, sie dauert wie das Leben genau so lange, wie es dauern muss. - Wunderbar.

Alois Schöpf, Platzkonzert. Essay mit Erinnerung.
Hohenems: Limbus 2009. 149 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-902534-26-2.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Alois Schöpf
Limbus-Verlag: Alois Schöpf, Platzkonzert

 

Helmuth Schönauer, 23-04-2009

Bibliographie

AutorIn

Alois Schöpf

Buchtitel

Platzkonzert. Essay mit Erinnerung

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Limbus

Seitenzahl

149

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-902534-26-2

Kurzbiographie AutorIn

Alois Schöpf, geb. 1950, lebt in Lans.