Barbara Hundegger, schreibennichtschreiben

Buch-CoverIn der Literatur gibt es, seit es die Literatur gibt, das Thema um das Schreiben. Ähnlich wie die Liebe muss das Schreiben täglich neu angegangen werden, wenn man einen Funken einer Chance haben will. Und oft werfen einen Liebe und Schreiben an einem einzigen Tag gleich zweimal ab.

Barbara Hundegger hat ihrer Lyrik vom schreibennichtschreiben ein sehr bissiges "intro" verpasst, ehe sie die Leserschaft in den Hauptteil lässt. In beiden Teilen geht sie alphabetisch vor und rollt das Alphabet von hinten auf, weil das schon eine Menge vom Nichtschreiben sagt. Ein Alphabet ist ja gerade für Bibliothekare das wichtigste Überlebenselement, gibt es doch vor, einen Sinn zu stiften und die Welt von A bis Z in den Griff zu kriegen.

Im Intro führt die Autorin die Schreibunmöglichkeiten vor.

"zuletzt sitzt du halt doch immer wieder da und denkst den wörtern in dingen, stimmen, stillen in taten nach [...]" (5) - "anfänglich // die einsamkeit von etwas, in dem du dir erscheinst. glücke spätnachts. bestürzungen mitten am tag. Anfänglich war es nicht abzusehen, dass das bei dir bleibt." (16)

Dazwischen wird das Alphabet aufgerollt, was so alles passiert, dass du beim Schreiben verstoßen wirst.

Im schreibennichtschreiben kommt dann abermals das Alphabet zum Zug. Wieder geht es von hinten nach vorne los, von "zorne entfesseln" (19) bis "absätze wenden". (93) Darin gibt es so berührende Wendungen wie "tribute zollen", wo das lyrische Ich einfach eingeht, eingespannt zwischen "küsse verwehren" und "jagdgründe abgraben".

Barbara Hundegger stellt den jeweiligen Buchstaben ein ordentliches Motto voran und rollt dann anschließend die Sprache auf mit einem genauen Ton, der aus der Verletzung heraus schlüpfen will.

anläufe die du für anrufe / brauchst verwachsen sich / zu lagen ausflüchte die du / vor ausreden machst legen / sich in schlingen halsseitig / schaust du aus auswüchse / nimmt deine anbahnung an deine ansagen versagen (32)

In größter Irritation versucht das lyrische Ich sich an jemanden anzubitten, aber dieses Gegenüber verschwindet in Ausreden und lässt dich einsam zurück.

Wir Literaturmenschen sind mehr verletzt als diese flachen Skype-Freaks. Und wir zahlen einen hohen Preis. Deshalb tut es letztlich auch gut, wenn wir durch diese Alphabete des Verzagens für ein paar Stunden getröstet werden.

Barbara Hundegger, schreibennichtschreiben. Lyrik.
Innsbruck: Skarabaeus 2009. 94 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7082-3275-1.

 

Helmuth Schönauer, 16-11-2009

Bibliographie

AutorIn

Barbara Hundegger

Buchtitel

schreibennichtschreiben

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

94

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7082-3275-1

Kurzbiographie AutorIn

Barbara Hundegger, geb. 1963 in Hall in Tirol, lebt in Innsbruck.