Manfred Wieninger, Prinzessin Rauschkind

Buch-CoverWenn man eine kompakte Ästhetik des verlässlich Hässlichen sucht, muss man sich an Marek Miert halten. Dieser Hinterhof-Detektiv aus Harland, das eine edle Umschreibung von St. Pölten ist, verkörpert in Aussehen, Kleidung und Habitus so ziemlich alles, was als No-go gilt. An manchen Stellen geht es so dirty zu, dass es schon wieder schön ist.

Im neuen Fall sitzt Marek beim Zahnarzt und lässt sich das verfaulte Gebiss notdürftig sanieren. Die Sprechstundenhilfe pirscht sich nach der Behandlung an den Detektiv heran, weil ihr Lover schon seit ein paar Monaten verschwunden ist. Da sie kein Geld hat, obwohl sie neben dem Zahnarzt noch in einer Fischhandlung arbeitet, bietet sie die Begleichung des Honorars in Naturalien an. Aber Mark lehnt ab, das wäre so, als ob man auf eine sitzende Ente schießen würde.

Marek hat unglaubliche Fahndungserfolge, wenn beispielsweise ein Wellensittich entflohen ist, kauft er in der Tierhandlung einen Doppelgänger und präsentiert ihn als gefundenen Ausreißer.

Der gesuchte Lover ist ein getarnter Mafiosi, er hat sich als Ungar ausgegeben und heißt in Wirklichkeit Helmut Schön, der seine dunklen Geschäfte mit halbseidenen Erotikangeboten und Nutten-Transfer abwickelt.

Die Sprechstundenhilfe ist schwanger von ihm und auch sonst völlig am Ende. Sie fühlt sich als Rauschkind, das ein Leben lang an der Schattenseite des Lebens dahin dümpeln muss. Dagegen ist der Detektiv geradezu ein strahlender Held, obwohl er zwischendurch zusammengeschlagen wird und einmal sogar arrestiert wird, weil er am Bahnhof zu ungestüm ermittelt.

Am Schluss löst sich das verbrecherische Komplott in Einzelteile auf, ein Bordellbesitzer erklärt sich bereit, für die anstehenden Alimente des Gangster-Kindes aufzukommen.

Manfred Wieninger erzählt einen Fall, der sich mit jeder Seite tiefer in das Fleisch der Provinz hineinbohrt. Oft entwickelt sich die Handlung so spontan, dass durch sie Verbrecher wie Aufklärer gleichermaßen überrascht werden. Auf die miesen Lebensumstände ist freilich durchgehend Verlass.

"Wie stellen Sie sich übrigens die Hölle vor?" fragte der Alte. - "Na ja, mein Leben ist derzeit die Hölle", sagte ich leise. (57)

Bahnhofsviertel in Harland, mieses Schrebergartenhaus abseits jeden Komforts, düstere Bordellanlagen in der Banlieue, dazwischen ein Marek Miert, der das nackte Überleben im Sinn hat und sich wundert, dass er immer wieder über die Runden kommt.

Manfred Wieninger veredelt die tiefste Provinz in ein Schlachtfeld des puren Überlebenskampfes, in seinen Romanen geht es um die Komplementärmenge zu jeglicher Kultur. Prinzessin Rauschkind ist ein radikaler Provinz-Krimi mit einem Existenzkampf im Hinterkopf, der es auf jeder Seite locker mit Samuel Beckett aufnimmt. Philosophisch exquisit und dennoch immer wieder ironisch leicht!

Manfred Wieninger, Prinzessin Rauschkind. Ein Marek-Miert-Krimi.
Innsbruck: Haymon 2010. 204 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85218-626-9

Manfred Wieninger, geb. 1963 in St. Pölten, lebt in St. Pölten.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Manfred Wieninger
Haymon-Verlag: Manfred Wieninger, Prinzessin Rauschkind

 

Helmuth Schönauer, 28-06-2010

Bibliographie

AutorIn

Manfred Wieninger

Buchtitel

Prinzessin Rauschkind. Ein Marek-Miert-Krimi

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Haymon

Reihe

Marek-Miert

Seitenzahl

204

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85218-626-9

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Wieninger, geb. 1963 in St. Pölten, lebt in St. Pölten.