Sophia Bennett, Wie Zuckerwatte mit Silberfäden
Noch immer ist das Vorurteil weit verbreitet, dass Mode etwas Überflüssiges sei, das nur von jenen betrieben wird, die sich nicht um das echte Leben kümmern wollen. In Wirklichkeit ist Mode natürlich eine Kommunikationsform wie Literatur oder Politik, es gibt Spielregeln, geheime Codes und jede Menge irrealer Tagesaktualitäten.
In Sophia Bennetts Roman "Wie Zuckerwatte mit Silberfäden", im Original einfach Fäden genannt, wird gezeigt, was hinter den Laufstegen der Models und Hochglanzbildern der Magazine abläuft. Die Ich-Erzählerin Nornie und ihre Freundinnen interessieren sich für Mode, zumal Nornies Mutter und Großmutter bereits in dieser Branche groß geworden sind.
Literarisch bin ich nicht sehr bewandert, aber wenn ein neues Buch über Mode herauskommt, muss ich es haben. (48)
Neben den üblichen Szenen, was ist schick, was passt zu welchem Typ, was sagt der Zeitgeist, geht es auch um die Ernsthaftigkeit der Branche. Das Wunderkind "Krähe" entwirft nämlich quasi aus dem Stand heraus die aufregendsten Modelle und bringt auch eine unheimliche Ernsthaftigkeit in das notdürftig eingerichtete Atelier. So trennt sie einmal ein wertvolles Klassiker-Kleid eines berühmten Modeschöpfers auf, um die Nähte zu studieren.
Krähe ist aus Uganda nach London geflüchtet, so beiläufig stellt sich heraus, dass ihr Bruder entführt worden ist und als verschollen gilt. Überhaupt steckt hinter den schicken Hochglanzkleidern oft eine grausame Geschichte von Ausbeutung und Kinderarbeit. Die Girls um Krähe herum erfahren in einem Schnellsiedekurs so etwas wie politische Bildung. "Weniger Mode - mehr Menschlichkeit" lautet die Parole.
Nach tierischen Anstrengungen mit allerhand Pannen und Aufregungen kommt es schließlich zu einem happy Show-Down. Das Schwanen-Kleid von Krähe geht über Fernsehen rund um die Welt und wird von Millionen von Menschen gesehen. Auf der lokalen Bühne in London kommt es zu einem Wiedersehen zwischen Krähe und ihrem verschollenen Bruder. Mode kann also auch politisch etwas Sinnvolles bewirken.
Sophia Bennetts "Modemärchen" gibt einen guten Einblick in die Besessenheit, die notwendig ist, um eine Sache professionell voranzutreiben. Die Kids lernen rasch, wie man in einer glitzernden Öffentlichkeit reagieren muss, aber auch, dass man vom Glanz aufgefressen wird.
Die Mode als zweite Haut, die Identität schafft, bringt ein eigenes Ritual an Kommunikation und Kunstvermittlung hervor. Und gerade, weil nichts so schnell vergeht wie die Zeit und ihre Mode, ist diese Zuckerwatte mit Silberfäden ein guter Anschnitt in die Stimmung unserer Gegenwart. - Ein Girlie-Roman voller Mode, der aber mit viel Hintersinn die Abläufe jeglicher Imaginationskunst aufzeigt.
Sophia Bennett, Wie Zuckerwatte mit Silberfäden. Die erste Kollektion. Aus dem Engl. von Sophie Zeitz. [Orig.: Threads, Frome/Somerset 2009], ab 14 Jahren
Hamburg: Chicken-House Carlsen 2010. 266 Seiten. EUR 13,40. ISBN 978-3-551-52010-4.
Weiterführende Links:
Carlsen-Verlag: Sophia Bennett, Wie Zuckerwatte mit Silberfäden