José Sanabria, Wie die Zeit vergeht

„Es war einmal ein Schiff, das fuhr im Licht der Sonne. Es hatte wichtige Leute an Bord. Mit der Zeit gab es modernere Schiffe. Ein Händler kaufte das alte Schiff und transportierte damit schwere Lasten. Als es dafür nicht mehr taugte, benutzte man das Schiff für die Fischerei.“

Ein Schiff, das einmal der Stolz der Meere war und reiche und wichtige Leute transportiert hat, verliert im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung, bis es schließlich ganz dem Verfall preisgegeben wird. Eine reiche und wichtige Familie erlebt einen ähnlichen Niedergang wie das Schiff. Beider Schicksale treffen sich am Ende in einem hoffnungsvollen Neubeginn.

José Sanabrias Parabel über das Vergehen und Werden über den Niedergang und Aufstieg von der Dunkelheit ins Licht bietet zahlreiche Ebenen für Kinder wie Erwachsene. Auch wenn sich das Bilderbuch für Kinder auf den ersten Blick wie das Märchen vom Niedergang eines einst stolzen Schiffes und einer wichtigen reichen Familie liest, deren Schicksal sich am Ende zu einem wunderbaren gemeinsamen Neuanfang und Wiederaufstieg liest, lässt sich darin auch die politische Botschaft von der Hoffnung auf einen gesellschaftlichen Neubeginn entdecken.

Was scheinbar alt und nutzlos ist, bietet Menschen, die sich verbinden und gemeinsam nach einem Neuanfang streben, die Grundlage für ein besseres Leben, eine Flucht aus der grauen Dunkelheit ins hoffnungsvolle Licht.

Gleichzeitig verbirgt sich in der Geschichte aber auch die Drohung, wer leichtfertig vor sich hin lebt und sich auf den alten Errungenschaften ausruht, wie der Familienvater, der selbst noch mit zunehmender Armut seine Amtsschärpe als Zeichen vergangener Bedeutung zur Schau trägt. Auf der anderen Seite verfolgt der Sohn seinen Traum von einem Schiff bis zum Schluss konsequent weiter, bis er schließlich Kapitän des Schiffes, das von allen bereits abgeschrieben worden war.

„Wie die Zeit vergeht“ ist eine wunderbare Geschichte über das Vergehen, über den Umgang mit Menschen und Dingen und über die Kraft der Träume und der Gemeinschaft, die den Wert eines jeden zu bestimmen vermag. Am Ende des Buches heißt es hoffnungsvoll wie zu Beginn:

Es war einmal ein Schiff, das fuhr im Licht der Sonne. Es hatte wichtige Leute an Bord.

Nur während es sich bei den Passagieren zu Beginn um eine reiche abgehobene Gesellschaft handelt, sind es am Ende Menschen, die aus der dunklen Seite der Gesellschaft, ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen haben.

Ein überaus empfehlenswertes Buch zum gemeinsamen Lesen und Philosophieren für Jung und Alt, in dem Text und Bild eine wunderschöne Einheit bilden.

José Sanabria, Wie die Zeit vergeht. Ill. v. José Sanabria, übers. v. Gabriela Stöckli [Orig. Titel: Con el paso del tiempo], ab 3 Jahren
Zürich: Nord Süd-Verlag 2016, 48 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-314-10294-3

 

Weiterführender Link:
Nord Süd-Verlag: José Sanabria, Wie die Zeit vergeht

 

Andreas Markt-Huter, 03-10-2016

Bibliographie

AutorIn

José Sanabria

Buchtitel

Wie die Zeit vergeht

Originaltitel

Con el paso del tiempo

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Nord Süd Verlag

Illustration

José Sanabria

Übersetzung

Gabriela Stöckli

Seitenzahl

48

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-314-10294-3

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

José Sanabria stammt ursprünglich aus Kolumbien und lebt und arbeitet seit 1992 in Argentinien. Seine Arbeiten wurden in Bratislava und Bologna ausgestellt. Diverse Workshops brachten ihn nach Europa und Japan. Heute betreibt José Sanabria eine eigene Illustrations-Schule in Buenos Aires.