Lesen im Archiv: Die Anfänge der Republik in Österreich, Teil 1

Vor 90 Jahren wurde in Österreich die Monarchie abgeschafft und die demoktratische Republik gegründet. Grund genug, auf die große Anzahl an historischen Dokumenten hinzuweisen, die von den österreichischen Archiven online zur Verfügung gestellt werden und für alle einfach und rasch über Internet zugänglich sind.So geben z.B. die Sitzungsprotokolle der provisorischen Nationalversammlung aus dem Jahr 1918 einen lebhaften Einblick in eine Zeit, in der die 1. Republik laufen lernte.

Viele der alten Dokumente aus der Zeit der Habsburger Monarchie und der 1. Republik wurden in der damals gängigen Frakturschrift abgedruckt. Bei der Frakturschrift handelt es sich um eine Druckschrift, die im deutschen Sprachraum vom 16. Jahrhundert bis ca. 1940 in unterschiedlichen Varianten verwendet wurde. Entwickelt hat sich die Schrift aus der seit dem 12. Jahrhundert verwendeten gotischen Buchschrift.

Die Sitzungsprotokolle der provisorischen Nationalversammlung Ende 1918 liegen in Frakturschrift vor. Mit ein wenig Übung lässt sich die ungewohnte Schrift relativ rasch lesen und die Dokumente erwecken die Stimmung, das Denken und die Sprache der damaligen Zeit wieder zum Leben. Das im Bild vorgestellte Alphabet in Frakturschrift soll beim Einstieg in das Lesen historischer Dokumente behilflich sein.


Viele Buchstaben der Fraktura-Schrift sind den lateinischen Buchstaben sehr ähnlich. Beachten sollte man den kleinen Unterschied zwischen dem kleinen f und dem langen s (rechts neben dem kleinen s). Beim f ist der Querstrich ein wenig links und vor allem rechts, beim langen s hingegen nur links.

Die im folgenden präsentierten Texte aus den Protokollen der ersten provisorischen Nationalversammlungen bieten nicht nur geschichtlich interessierten Leserinnen und Lesern einen spannenden Einblick in die Anfänge der 1. Republik. Auch für den Schulunterricht bieten die Dokumente einen hautnahen Zugang zu den Ereignissen und zum Denken von Politikern dieser Zeit.

 

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Teil 1: Auf der Suche nach einer neuen Verfassung

Vor 90 Jahren ging der 1. Weltkrieg zu Ende und mit ihm auch die alte Habsburger Monarchie. Noch vor der Abdankung Kaiser Karls I. am 11. November 1918 trat am 21. Oktober 1918 die provisorische Nationalversammlung zusammen. Die Reichsratsabgeordneten der deutschsprachigen Gebiete versuchten dabei auf die Frage nach der künftigen Verfassungs- und der Regierungsform in Österreich eine Antwort zu finden.

Stenographisches Protokoll der konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung der deutschen Abgeordneten, Wien, am 21. Oktober 1918

In dieser 1. Sitzung der provisorischen Nationalversammlung wird ein Beschlussantrag über den zukünftigen Weg der Verfassung vorgelegt. Karl Seitz leitet die die Sitzung der 1. Nationalversammlung. Er war nach dem Tod Viktor Adlers, Parteivorsitzender der SPÖ und von 1923 - 1934 Wiener Bürgermeister.

Am Beginn der Sitzung wird ein Antrag verlesen, in dem über die künftige staatliche Ordnung ein Beschluss gefasst werden soll.

Das deutsche Volk in Österreich ist entschlossen, seine künftige staatliche Ordnung selbst zu bestimmen, einen selbständigen deutschösterreichischen Staat zu bilden und seine Beziehungen zu den anderen Nationen durch freie Vereinbarungen mit ihnen zu regeln.

[...] Das deutsche Volk in Österreich wird eine konstituierende Nationalversammlung wählen. Die konstituierende Nationalversammlung, auf Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes gewählt, wird die Verfassung des deutschösterreichischen Staates festsetzen. [...]

Präsident Karl Seitz: Wünscht jemand zu dem Antrag das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall.

Ich bitte diejenigen Herren, die dem Antrag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist angenommen.

(Lebhafter anhaltender Beifall und Händeklatschen. Heil!-Rufe. -- Lebhafter Beifall auf der Galerie.)

Somit ist die provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich gebildet.

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 5f
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Viktor Adler, Begründer und Vorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, verliest in der provisorischen Nationalversammlung am 21.10. 1918 eine Erklärung seiner Partei. Adler ist zu diesem Zeitpunkt bereits schwer Herzkrank und stirbt am 11.11.1918.

Viktor Adler: [...] In jedem Falle aber soll der deutschösterreichische Staat ein demokratischer Staat, ein echter Volksstaat werden. Die Demokratie siegt in aller Welt, die Zeit der Herrenhäusler, der Privilegienwahlrechte, der bürokratisch-militärischen Herrschaftsorganisation und der feudal-kapitalistischen Vorrechte (lebhafter Beifall) ist vorbei für immer.

Wir fordern darum, dass das deutsche Volk in Österreich, dem Grundsatz der Volkssouveränität entsprechend, die Verfassung seines Staates festsetzt durch die konstituierende Nationalversammlung, die gewählt werden soll auf Grund des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes aller Männer und Frauen.

Bei der Wahl der verfassungsgebenden Versammlung und, in dieser Versammlung werden wir dafür kämpfen, dass der deutschösterreichische Staat zu einer demokratischen Republik werde (lebhafter Beifall und Rufe: Hoch dir deutsche Republik!), gegründet auf die Gleichberechtigung aller seiner Staatsbürger ohne Unterschied der Klasse, des Standes, der Religion und des Geschlechts.

Heute schon aber verlangen wir, dass der Grund gelegt werde zu einer demokratischen Organisation der Verwaltung unseres künftigen Staates. Wir verlangen die schleunigste Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes für Männer und Frauen in den Gemeinden und demokratische Selbstverwaltung in den Bezirken, Kreisen und Ländern. [...]

Wir wünschen also, dass die gegenwärtige Versammlung möglichst bald die tatsächliche Regierungsgewalt in Deutschösterreich, seine Vertretung nach außen und seine Verwaltung im Innern an sich ziehe. Dann aber soll sie so bald als möglich Platz machen der neu zu wählenden konstituierenden Nationalversammlung. Denn die Zusammensetzung der gegenwärtigen Versammlung entspricht nicht mehr dem Willen der deutschen Wählerschaft; [...]

Wir deutsche Sozialdemokraten nehmen den Arbeiten dieser Versammlung teil, weil sie im gegenwärtigen Augenblick das einzige mögliche Parlament Deutschösterreichs ist.

Wir wollen mit Ihnen, unseren Klassengegnern, keine Parteigemeinschaft bilden, kein Bündnis, keinen Burgfrieden schließen, wir bleiben Gegner, wie wir immer Gegner waren. Wir kommen hierher, um auch auf dem Boden dieses Parlaments unseren Kampf für das Proletariat, für die Demokratie, für den Sozialismus zu führen.

An dem Neubau des deutschösterreichischen Staates wollen wir mit redlichem Willen und fleißiger Hand mitarbeiten; aber bei dieser Arbeit, die uns mit Ihnen vereint, wollen wir dafür sorgen, dass der deutschösterreichische Staat ein demokratischer Staat, ein Volksstaat werde, in dem das Volk sein Selbstbestimmungsrecht verwirklicht und der das Selbstbestimmungsrecht aller anderen Völker heilig hält.


Viktor Adler hielt seine letzte große Rede bei der 1. Sitzung der provisorischen Nationalversammlung im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landtags in der Herrengasse in Wien.

Die die staatliche Umwälzung, in der das alte Österreich zusammenbricht, ist ja nichts anderes als eine Teilerscheinung des allgemeinen Sieges der Demokratie in der ganzen Kulturwelt, der Demokratie, die die Arbeiterklasse in allen Ländern zur Macht führen und ihr es ermöglichen wird, auf den Trümmern der kapitalistischen Weltordnung den Sozialismus aufzurichten.

Meine Herren! Wir haben in dieser Erklärung, die  - ich gebrauche absichtlich dieses Wort - loyal ist von der ersten bis zur letzten Silbe, Ihnen gesagt, was wir wollen. Wir haben Ihnen gesagt, dass wir mit Ihnen arbeiten wollen; es liegt an Ihnen, dass wir mit Ihnen arbeiten können. Mit diesen Worten betritt die Sozialdemokratie den Boden des ersten deutschösterreichischen Parlaments. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen)

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 7f
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Josef Schraffl, Landeshauptmann von Tirol (1917 - 1921) und Mitbegründer des Tiroler Bauernbundes gibt im Namen der christlichsozialen Vereinigung deutscher Abgeordneter eine Erklärung ab, in der er auch auf die Südtirolproblematik hinweist.

[...] Die christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter wird unter grundsätzlicher Festhaltung an der monarchischen Regierungsform ihren Einfluss im Sinne der Demokratisierung Deutschösterreichs geltend machen, und zwar in Form einer Heranziehung des Volkes zur Gesetzgebung und Verwaltung.

Wenn die neuen Nationalstaaten in Rücksicht auf die geographische Lagen und die geschichtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge auf freiem Entschlusse eine Vereinigung zu einem Bundesstaat einzugehen gewillt sind, so wird die christlichsoziale Vereinigung unter voller Wahrung der nationalen, politischen und wirtschaftlichen Interessen des deutschösterreichischen Volkes für die Bildung eines solchen Bundesstaates eintreten. (Zustimmung.)

Den Helden an der Front und der duldenden Bevölkerung des Hinterlandes spricht die christlichsoziale Vereinigung unauslöschlichen Dank aus und bittet sie auszuharren, bis der nahe Friede erreicht ist. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen).

Als Tiroler und Vertreter der Tiroler christlichsozialen Abgeordneten begrüße ich die heutige Versammlung auf das wärmste und benütze die Gelegenheit, die Bitte an die Herren zu richten: vergessen Sie der Deutschen in Süden nicht, helfen Sie den Tirolern in der gegenwärtigen Reichs- und Volksnot! Heil Deutschösterreich! (Lebhafter Beifall und Händeklatschen).

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 8
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Abgeordneter Freiherr von Pautz, Gutsbesitzer des Sonnhofs bei Steinach in der Steiermark gibt im Auftrag der deutschösterreichischen Unabhängigkeitspartei eine Erklärung ab, in der sich diese für eine Demokratie im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie als Staatsform aussprach.

[...] Die Sehnsucht unseres Volkes soll erfüllt werden. Frei vereinigen sich Österreichs Deutsche in einem vollkommen selbständigen, unabhängigen Gemeinwesen, über dessen eigenstaatlichen Aufbau sie allein zu entscheiden haben. Wir halten für die geeignetste Staatsform die demokratisch-konstitutionelle Monarchie.

Daher nehmen wir das Recht der Gesetzgebung ohne Einschränkung für das Volk in Anspruch, dessen Vertretung aus zwei Kammern bestehen soll, von denen eine auf dem allgemeinen gleichen und unmittelbaren Wahlrechte beruht, während die andere neben Vertretern dieses Wahlrechtes gewählte Vertreter von Erwerbsgruppen und eine Anzahl von Fachleuten zu umfassen hätte, deren Auswahl an ganz bestimmte gesetzlich festgelegte Bedingungen geknüpft sein muss. Willkürlich ernannte oder nach Geburtsvorrechten berufene Gesetzgeber lehnen wir unbedingt ab. (Zustimmung.)

Bei vollkommener Trennung der konstitutionellen Gewalten darf sich das Einspruchsrecht des Staatsoberhauptes nur auf bestimmte, im Staatsgrundgesetze festgelegte Fälle erstrecken. Auch sind die Grenzen der Herrschergewalt entsprechend der anerkannten Mündigkeit unseres Volkes zu ziehen. Das Staatsoberhaupt muss Gewähr dafür bieten, sich nicht von Hausmachtrücksichten, sondern einzig und allein von der Bedachtnahme auf die Erfordernisse unseres Nationalstaates leiten zu lassen.

[...] Wir wollen, dass die Vertretung des deutschen Volkes in allen gesetzgebenden und autonomen Körperschaften nach dem Grundsatz des allgemeinen, gleichen und unmittelbaren Wahlrechtes erstehe. Wir verlangen die Einheitlichkeit der Verwaltung in ganz Deutschösterreich, aufgebaut auf Gemeinde, Bezirk und Kreis [...].

Die Sozialreform muss eingeleitet werden mit der Sicherstellung der Alters- und Invaliditätsversicherung aller Staatsbürger und mit einer durchgreifenden Bodenreform, die zu einer gesünderen Verteilung und besseren Bewirtschaftung des Grundbesitzes führen und Gelegenheit zur Versorgung der Kriegsbeschädigten bieten muss.

Wir wollen die aufmerksamste Förderung unserer gesamten Wirtschaft und betrachten als Voraussetzung dieser die Ordnung auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens. Daher treten wir für die Sicherheit der Person und des Eigentums, für die Freiheit des Gedankens in Wort und Schrift, für die Freiheit des Gewerbes, des Handels, der Landwirtschaft und der Industrie, für eine gerechte Verteilung der Lasten und eine regelrechte und vereinfachte Verwaltung ein.

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 8f
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Der Abgeordnete Dr. Julius Ofner, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, meldet sich für die deutsch-freiheitliche Vereinigung Wiener Abgeordneter zu Wort und spricht sich für eine demokratische Regierungsform aus.

[...] Wir erwarten, dass dieser Staat, auf der Grundlage der Demokratie, der lebenswarmen Gleichberechtigung, ohne Unterschied von Herkunft, Besitz und Geschlecht und einer großzügigen Sozialpolitik errichtet, sich eine Verfassung und Verwaltung schaffen wird, die für alle Zeiten die Abkehr von der unheilvollen, absolutistischen, feudalen, frömmelnden und bürokratischen Herrschaft verbürgt. Die Arbeitskraft des Volkes, frei von den Lasten des Krieges oder eines bewaffneten Friedens, frei auch von den Fesseln der Willkür und der Engherzigkeit, wird die zerstörte Kultur wieder aufrichten und das unendliche Leid des Krieges lindern.

[...] Wir werden zur Errichtung, zur Festigung und Blüte des deutschösterreichischen Staates, zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung seiner Bevölkerung mit voller Hingebung mitarbeiten. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 10
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Für die Nationalsozialistische Arbeiterpartei (!) gibt der Abgeordnete Hans Knirsch, ein Oberleutnant im Ruhestand, eine Erklärung ab, in der er sich für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich aussprach:

[...] Im nationalen, sozialen und kulturellen Interesse fordern wir den staatsrechtlichen Anschluss Deutschösterreichs als Bundesstaat an das Deutsche Reich. [...] Nur im deutschen Einheitsstaat können wir Ostmarkdeutsche die baldige Verwirklichung jener staatssozialistischen Grundsätze erhoffen, welche die Wunden dieses Krieges heilen und unser 80-Millionenvolk der Arbeit und Tätigkeit einer glücklichen Zukunft entgegenführen werden. Es lebe das freie und soziale Alldeutschland! (Beifall.)

Protokoll: 1. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 10
Transkription: Andreas Markt-Huter

Frauen waren in der provisorischen Nationalversammlung nicht vertreten, die nur aus Abgeordneten des Reichsrates bestand. Sie fordern daher in einem Schreiben an die provisorische Nationalversammlung sehr rasch und massiv ihre Beteiligung am politischen Leben ein. Das Schreiben unterzeichnet haben: der Allgemeine österreichische Frauenverein, der Bund österreichischer Frauenvereine, das Österreichische Frauenstimmrechtskomitee, die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs, die Sozialdemokratische Frauenorganisation, der Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen und die Vereinigung der arbeitenden Frauen.

Verlesen wird das Schreiben in der 2. Sitzung der Nationalversammlung der deutschen Abgeordneten in Wien am 30. Oktober 1918.

Auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker vollzieht sich nun die Umwandlung unseres Staates. Auch der Nationalrat des deutschösterreichischen Volkes soll auf dieser Grundlage gebildet werden. Die gewählten Vertreter sind aber nur Gewählte der einen Hälfte des Volkes, die andere Hälfte, die Frauen, ist unvertreten. Die Demokratie wäre keine Demokratie, wenn sie nicht das ganze Volk umfassen würde. Darum muss es jenen, die den Nationalrat bilden, ebenso wie jenen, die ihn anerkennen sollen, als notwendig erscheinen, auch die Frauen darin vertreten zu sehen.

Da aber die verfassungsmäßigen Grundlagen für die Wahlberechtigung der Frauen erst geschaffen werden müssen, fordern die Unterzeichneten auf dem Boden der vollen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung stehenden Frauen, dass vorläufig von den Frauenorganisationen aller Richtungen namhaft gemachte Vertreterinnen in alle Ausschüsse zur Vorbereitung der Konstituante als Beiräte berufen werden. (Bravo! Bravo!)

Protokoll: 2. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 18 
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

Staatssekretär Dr. Karl Renner weist in derselben Sitzung vom 30. Oktober auf eine immer noch bestehende Unklarheit darüber hin, welche Staatsform Österreich in Zukunft annehmen werde.

[...] Wir sind über Nacht auf einmal ein Volk ohne Staat geworden. Diejenigen, die unsere Mitbürger waren, haben aufgehört, es zu sein, diejenigen die die Behörden waren über Deutsche, Tschechen, Polen und andere Völker, haben aufgehört, ihr gesetzliches Mandat über diese Völker ausüben zu können. [...]

Was nun die Vorlage bringt, ist gleichsam ein Notdach, die erste Aufrichtung einer öffentlichen Gewalt. Über die Staatsform ist kaum ein Wort ausdrücklich gesprochen. Das Wesen dieses Staates ist mit keiner charakteristischen Bezeichnung belegt. Wir sprechen darin nicht von Monarchie und nicht von Demokratie und nicht von Republik. Wir können es vielleicht den Staatsrechtsgelehrten überlassen hinterher zu erläutern, was unsere Verfassung enthält.

Protokoll: 2. Sitzung der prov. Nationalversammlung, S. 31
Transkription: Andreas Markt-Huter

 

 

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 07-11-2008

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