Lesen ist einfach cool - Der Leseclub im Gymnasium in der Sillgasse, Teil 1

Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler zeigen wenig Freude am Lesen, wenn man den Schülerbefragungen beim PISA-Test Glauben schenken darf und ein Fünftel der getesteten Kinder, waren nicht in der Lage den Sinn eines Textes ausreichend zu verstehen. Umso erstaunlicher erscheint es, dass es an einem Innsbrucker Gymnasium einen Leseclub gibt, an dem derzeit knapp 10% aller Schülerinnen und Schüler teilnehmen.

Ebenso erstaunlich ist auch die Zusammensetzung der LeseclubteilnehmerInnen. Da finden sich gute aber auch weniger gute LeserInnen, eine ausgeglichene Anzahl von Buben und Mädchen sowie SchülerInnen von der 1. bis zur 4. Schulstufe. Neben einem festen Kern gibt es - meist abhängig vom aktuellen Buch und Projekt - einen ständigen Wechsel der LeseclubbesucherInnen.

Gegründet wurde der Leseclub am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Sillgasse gleichzeitig mit der Eröffnung der Schulbibliothek vor mehr als 12 Jahren, im Schuljahr 1996/97. Michael Sporer, Lehrer und Leiter der Schulbibliothek in der Sillgasse erinnert sich:

Da die unverbindliche Übung Literatur in der Oberstufe nicht mehr so sinnvoll war, weil solche Inhalte nun vom Wahlpflichtfach Deutsch abgedeckt werden konnten, hielt ich es für eine gute Idee, stattdessen - im Sinne der Leseförderung - eine unverbindliche Übung Leseclub in der Unterstufe anzubieten, um das Lesen - ganz ohne Notendruck - in den Mittelpunkt zu stellen.

Schon im darauf folgenden Schuljahr 1997/1998 nahmen so viele Schülerinnen und Schüler am Leseclub teil, dass zwei Gruppen eröffnet werden mussten: eine für die 1. und 2. Klassen, eine für die 3., 4. und 5. Klassen. Wenn ich mich recht erinnere, gab es in etwa 50 Leseclub-Teilnehmer/innen. Neben vielen anderen kreativen Lese-Aktionen fuhren wir in diesem 2. Leseclub-Jahr zum Beispiel auch schon in die Bavaria-Filmstudios in München und drehten dort zwei Filme: Der unbekannte Tote (1./2. Klassen) und Harte Zeiten für Schutzengel (3./4./5. Klassen).

 
Viel hat sich getan im Leseclub des Gymnasiums Sillgasse getan, seit sich vor 12 Jahren die ersten Schülerinnen und Schüler zum gemeinsamen Lesen und Vorlesen getroffen haben. Foto: Markt-Huter

Seit vier Jahren leitet nun Mag. Sybille Wimmer, neben ihrer Lehrtätigkeit auch den Leseclub. Aus den 20 Schülerinnen und Schülern der ersten Klassen zu Beginn teilnahmen, kommen mittlerweile mehr als 60 Kinder und Jugendliche aus allen Klassen der Unterstufe in den Leseclub. Aufgeteilt in die Gruppe der 1. und 2. Klasse sowie die Gruppe der 3. und 4. Klasse findet der Leseclub jeden Dienstagnachmittag in den Räumlichkeiten der Schulbibliothek statt, wobei sich die Gruppen wöchentlich abwechseln.

Lesen in Tirol hat den Leseclub im Gymnasium an der Sillgasse beim seinem letzten Zusammentreffen vor den Sommerferien 2009 besucht und die Leiterin des Leseclubs, Mag. Sybille Brunner zum Interview gebeten.

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Lesen in Tirol: Wie sind sie zum Leseclub gekommen?

Sybille Wimmer: Gegründet wurde der Leseclub von Michael Sporer, der hier als Pionier tätig war. Ich selbst wurde vor vier Jahren mehr oder weniger bei der Lehrfächerverteilung zur Betreuung des Leseclubs eingeteilt. Ich habe versucht dem Leseclub, der damals noch unter der Bezeichnung Literaturpflege bekannt war, einen etwas interessanteren Namen zu geben.

Vorgesehen war der Leseclub ursprünglich lediglich für die ersten Klassen der Unterstufe. Ich habe mich also gleich zu Beginn in den beiden ersten Klassen auf die Suche nach interessierten SchülerInnen und Schülern gemacht. Als sich praktisch kaum jemand für den Leseclub gemeldete hatte, stand ich allerdings vor einem Problem: wie komme ich zu SchülerInnen für den Leseclub? Ich habe also damit begonnen, mehr Werbung für den Leseclub zu machen und konnte schließlich zehn Schülerinnen und Schüler aus meiner eigenen Klasse für eine Teilnahme gewinnen.


Mag. Sybille Wimmer leitet seit nunmehr vier Jahren den Leseclub des Gymnasiums Sillgasse und ist jedes Jahr von neuem über das rege Interesse der Schülerinnen und Schüler am Leseclub erstaunt. Foto: Markt-Huter

Gerade für Kinder der ersten Klassen sind solche Angebote außerhalb des Unterrichts immer ein wenig schwierig, weil sie zu Beginn des Schuljahres mit sehr vielen neuen Situationen und Eindrücken konfrontiert sind. Zudem müssen sie sich für diese unverbindliche Übung innerhalb der ersten Woche entscheiden, womit verständlicher Weise die meisten einfach überfordert sind. Ich habe ein wenig später noch einmal für eine Teilnahme am Leseclub geworben.

Lesen in Tirol: Was ist der Leseclub? Wie muss man sich einen Nachmittag im Leseclub vorstellen?

Sybille Wimmer: Wir treffen uns in unserer Schulbibliothek und beginnen damit ein Buch auszuwählen. Manche, die mit der ausgewählten Literatur nicht Zufrieden sind, verlassen dann den Leseclub aber auch wieder. Es ist natürlich nicht möglich, die Interessen aller SchülerInnen abzudecken.

Also wir wählen ein Buch aus und beginnen zu lesen. Die Vorauswahl der Bücher überlassen die Kinder am liebsten mir, weil sie davon ausgehen dass dann spannende neue Bücher dabei sind. Ich schaue bei der Auswahl natürlich darauf, dass die Bücher nicht zu teuer sind. Meistens beginne ich die Bücher dann laut vorzulesen, weil ich die Geschichten bereits kenne und wir dann rasch in den Büchern vorankommen.

Ich frage dann meist die Gruppe, was sie glaubt, wie die Geschichten weitergehen würden. Nachdem wir so alle Bücher durchgehen, wählen die Kinder ein Buch aus, das wir dann gemeinsam lesen wollen. Viele kaufen dann das Buch oder leihen es sich - wenn vorhanden - von unserer Schulbibliothek oder einer Öffentlichen Bücherei aus.

Ich bitte dann die Kinder immer eine bestimmte Anzahl von Seiten im Buch als Vorbereitung für den Leseclub zu Hause zu lesen. Meist beginnt dann der übliche Wettstreit der Kinder, wo einige bereits das ganze Buch innerhalb von zwei Tagen zu Ende lesen. Das bedeutet natürlich, dass manche das Ende des Buches bereits kennen, andere wieder nicht. Wenn wir das Buch gelesen haben, überlegen wir uns, wir weiter machen wollen, wobei wir mit ca.30 Stunden in einem Schuljahr natürlich zeitlich begrenzt sind.

 
Neben dem Lesen von Büchern spielt auch der kreative Bereich im Leseclub eine wichtige Rolle. Hier präsentieren die Schülerinnen und Schüler des Leseclubs ihre Vorschläge für ein Leseclub-Logo. Foto: Markt-Huter

Wenn mehr 30 als SchülerInnen den Leseclub besuchen, ist mächtig was los, da geht es dann ganz schön rund. Bei den SchülerInnen im Leseclub handelt es sich ja keineswegs um zurückgezogene Kinder, die am liebsten still vor einem Buch sitzen. Nein, das sind durchwegs Kinder, die sich gerne ausdrücken und die auch ohne Scheu in ihrer Klasse erklären: Ich gehe in den Leseclub! Das ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass der Leseclub allgemein angesehen ist, dass er auch von den anderen Kindern unserer Schule akzeptiert und nicht als Streberverein betrachtet wird.

Lesen in Tirol: Welche Rolle spielt die Schulbibliothek als Treffpunkt für den Leseclub?

Sybille Wimmer: Die Räumlichkeiten der Schulbibliothek haben sich für den Leseclub als ganz wichtig erwiesen, um auch ein entsprechendes Ambiente schaffen zu können. Als wir einen Lese-Nachmittag einmal in einer Klasse durchführen mussten, hat sich das gemeinsame Lesen als überaus mühsam erwiesen. In der Klasse erleben die Kinder das Lesen als Unterricht, wo sie in den Bänken sitzen müssen, was als sehr ungemütlich empfunden wird. In der Bibliothek können sie, wenn sie wollen, auch am Boden liegen und zuhören und lesen.

Lesen in Tirol: Wie ist der Leseclub entstanden?

Sybille Wimmer: Über die Vorgeschichte des Leseclubs kann ich nichts sagen. Ich habe auch nicht nachgefragt, weil ich einfach von Anfang an meinen eigenen Weg gehen wollte. Als ich den Leseclub übernommen habe, hat sich mir die Frage gestellt: Was würde mich selbst an einem Leseclub interessieren, was möchte ich selber gerne machen?


Ziel des Leseclubs ist es einfach, die Kinder wieder zum Lesen zu bewegen und ihnen Spaß an der Sache zu vermitteln. Foto: Markt-Huter

Ich lese eigentlich die verschiedensten literarischen Gattungen, von Kinder- und Jugendbücher bis hin zu Fantasie- und Kriminalliteratur. Fest stand von vornherein, dass sich die Kinder die entsprechende Literatur selbst aussuchen können und auch dass sich der Leseclub ganz klar vom Deutschunterricht abgegrenzt. Ich selbst würde keinen Leseclub besuchen wollen, wo ich wie im Deutschunterricht eine Sage lesen muss, die anschließend besprochen wird. Das sollte es nicht sein. Ziel des Leseclubs ist es einfach, die Kinder wieder zum Lesen zu bewegen und ihnen Spaß an der Sache zu vermitteln.

Bald ist zum Lesen auch das Filmemachen dazu gekommen. Wir haben gemeinsam ein Buch ausgewählt, mit dem wir uns gemeinsam auseinander setzten wollten. Nachdem alle gerne Filme anschauen, habe ich mich entschlossen, mein Equipment und mein Know-How zum Filmemachen den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen und einfach zu schauen, was sich daraus machen lässt.

Ich erinnere mich noch, dass wir damit begonnen haben, das Pentomino-Orakel von Blue Balliett zu lesen. Anschließend haben wir das Pentomino gebastelt und zusammengestellt, was allen sehr gut gefallen hat. Ein anderes Mal haben wir uns Michael Endes Unendliche Geschichte zum Lesen vorgenommen und das ist nun doch schon ein ganz dickes Buch. Die Kinder haben ein Drehbuch dazu geschrieben und wir haben versucht, bestimmte Szenen aus dem Buch zu verfilmen, was wirklich nett geworden ist. Zu diesem Buch haben wir dann auch eine Lesenacht veranstaltet. Das waren sozusagen die Anfänge des Leseclubs.

Für mich war von Anfang an wichtig, dass die Kinder im Leseclub etwas Einmaliges erleben sollen, wie etwa Lesenächte oder das Verfilmen von Büchern, also etwas, das im normalen Deutschunterricht nicht geboten werden kann. Etwas, wofür es sich lohnt hinzugehen. Dafür bin ich auch bereit, meine Freizeit zu investieren, wobei ich nicht sagen kann, wie lange ich dazu imstande sein werde. Je öfter solche Veranstaltungen stattfinden, desto mehr Ideen braucht es, um das Interesse der Schülerinnen und Schüler wach zu halten.


Wichtig sind gute Ideen, um das Interesse der Schülerinnen und Schüler wach zu halten. Es muss etwas sein, wofür es sich lohnt hinzugehen. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Wie hat sich das Interesse der Schüler seit der Einrichtung des Leseclubs weiter entwickelt?

Sybille Wimmer: Der Leseclub war ursprünglich nur für die 1. Klassen der Unterstufe vorgesehen. Aber gleich nach dem ersten Jahr des Leseclubs sind die SchülerInnen zu mir gekommen und haben mir erklärt, dass ihnen die Nachmittage im Leseclub gut gefallen würden und es ungerecht sei, wenn sie in der 2. Klasse nicht mehr daran teilnehmen könnten. Ich habe daraufhin erklärt, dass wer will, auch weiterhin den Leseclub besuchen könne.

Mit der Zeit ist die Anzahl der SchülerInnen aber immer größer geworden. Rund um einen relativ stabilen Kern an TeilnehmerInnen hat es einen beständigen Wechsel an Interessierten gegeben. Waren am Beginn 20 TeilnehmerInnen aus den beiden 1. Klassen im Leseclub, sind es derzeit ca. 60 Schülerinnen aus vier Schulstufen. Diese Entwicklung hat mich doch ein wenig überrascht, weil ich der Meinung war, dass das Interesse nach den ersten beiden Klassen zurück gehen wird, weil dann üblicherweise andere Interessen in den Vordergrund drängen.

Mittlerweile ist das ganze so weit gekommen, dass mich SchülerInnen bereits darauf angesprochen haben, den Leseclub auch auf die Oberstufe auszudehnen. Ob das möglich ist, kann ich aber erst im Herbst entscheiden, wenn ich mir über die Anzahl der möglichen TeilnehmerInnen ein Bild machen kann.

 

>> Lesen ist einfach cool - Der Leseclub im Gymnasium in der Sillgasse, Teil 2

 

 

Andreas Markt-Huter, 01-07-2009

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