Jörg Bibow / Heiner Flassbeck, Das Euro-Desaster

Titelbild: Jörg Bibow und Heiner Flassbeck, Das Euro-Desaster„In diesem Buch geht es um die konkreten Auswirkungen der Politik der Eurogruppe und der sogenannten Troika auf die Eurokrisenländer. Bis heute haben die meisten Beobachter nicht verstanden, was dort passiert ist und warum der Einbruch der Produktion so gewaltig war. Das liegt daran, dass überwiegend nicht gesehen wird, welch fatale Entwicklung von den Lohnsenkungen ausging, die mit staatlicher Austeritätspolitik kombiniert wurden.“ (9)

Europa scheint aus der wirtschaftlichen Krise und Stagnation nicht herauszukommen. Die Wirtschaftswissenschaftler Jörg Bibow und Heiner Flassbeck zeigen auf, weshalb sich die Verhältnisse in Europa nach der großen Finanzkrise 2008 im Vergleich zu den USA oder Japan nicht nachhaltig verbessert haben und vor allem die südlichen Länder der Euro-Zone immer tiefer in eine Katastrophe zu rutschen drohen.

Im ersten Kapitel legen die Autoren dar, wie das „Anpassungsprogramm“ der Euro-Länder, mit seiner fiskalischen Austeritätspolitik in Kombination mit einer Lohnsenkungspolitik für die schlechte Wirtschaftsentwicklung der EU verantwortlich ist, woraus sich ebenfalls erkennen lässt, dass es sich bei der Architektur der Europäischen Währungsunion um eine Fehlkonstruktion handelt. Auch nach der Krise hat sich die Wirtschaftspolitik der Eurozone nur auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen und auf die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit konzentriert, die durch Druck auf die Löhne erreicht werden sollte.

Nach der großen Finanzkrise wurde kurzfristig versucht das deregulierte Banken und Finanzwesen wieder unter Kontrolle zu bringen, als die „Staatsschuldenkrise“ Griechenlands zur Hauptursache für die Eurokrise erklärt wird. Damit gelang es von der eigentlichen Ursache der Eurokrise abzulenken, der „Politik der Lohnzurückhaltung“ (22) in Deutschland, die in einem gemeinsamen Währungsraum, ohne Möglichkeit der Abwertung, zu einem eklatanten Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Euroländern zur Folge hatte und die Schulden gegenüber Deutschland zunehmend in die Höhe trieb.

Als logischer Schluss wird gefordert, die katastrophale Wirtschaftspolitik der „Troika Anpassungsprogramme“, die in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal aber auch Irland einen enormen wirtschaftlichen und sozialen Schaden angerichtet hat, rasch zu beenden. (93)

Am Beispiel der Wirtschaftspolitik in den vier großen Staaten des Euroraumes - Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – werden die wirtschaftlichen Entwicklungen in diesen Ländern nach dem Ende des 2. Weltkrieg bis in die Gegenwart dargestellt. Mit dem Wechsel von einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, wie sie von John Maynard Keynes propagiert worden war, zu einer neoliberalen, angebotsorientierten Wirtschaftspolitik fand der kontinuierliche Aufschwung in Europa, von dem vor allem die Arbeitnehmer profitiert hatten, sein allmähliches Ende.

Besonders kritisch wird die Analyse in Bezug auf die wirtschaftlich desaströsen Verhältnisse in Italien, das ohne eigenes Währungssystem unter den gegenwärtigen Richtlinien der Europolitik seine Probleme in der Wirtschaft, im Bankenwesen und bei der Arbeitslosigkeit nicht bewältigen können wird. Am Ende wird die Europäische Währungsunion mit der funktionierenden Währungsunion der USA verglichen und für eine Abkehr vom Neoliberalismus plädiert.

Jörg Bibow und Heiner Flassbeck gelingt es, die für viele Leserinnen und Leser komplexen Zusammenhänge verständlich darzustellen und aufzuzeigen, dass die in den Medien leichtfertig verbreiteten Schuldzuweisungen und Erklärungen häufig an den wahren Problemen und Ursachen vorbeizielen. Selbst Vertreter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben sich dem Mainstream des neoliberalen Wirtschaftsdenkens unterworfen und über Jahre Lohnzurückhaltungen zugestimmt, welche die Kaufkraft der Menschen und damit den Aufschwung der Binnenwirtschaft tiefgehend geschwächt hat.

Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch, das sich nicht scheut die Dinge und Schuldigen beim Namen zu nennen und das dazu auffordert, endlich eine offene und demokratische Diskussion über die zukünftige Art unserer Wirtschaft zu beginnen.

Jörg Bibow / Heiner Flassbeck, Das Euro-Desaster. Wie deutsche Wirtschaftspolitik die Eurozone in den Abgrund treibt. Schluss mit dem Neoliberalismus!
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2018, 224 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-86489-215-8


Weiterführende Links:
Westend Verlag: Jörg Bibow / Heiner Flassbeck, Das Euro-Desaster
Levy Economic Institut: Jörg Bibow
Wikipedia: Heiner Flassbeck
Makroskop

 

Andreas Markt-Huter, 23-05-2018

Bibliographie

AutorIn

Jörg Bibow / Heiner Flassbeck

Buchtitel

Das Euro-Desaster. Wie deutsche Wirtschaftspolitik die Eurozone in den Abgrund treibt. Schluss mit dem Neoliberalismus!

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-86489-215-8

Kurzbiographie AutorIn

Jörg Bibow studierte Volkswirtschaftlehre und ist derzeit Wirtschaftsprofessor am Skidmore College in Saratoga Springs / New York. Zu seinen Forschungsgebieten zählen internationale Finanzen und internationaler Handel ebenso, wie europäische Integration und Wirtschaftsgeschichte.

Heiner Flassbeck war Direktor bei der UNO in Genf und ist Professor für Ökonomie an der Universität Hamburg. 2012 ist sein Blog flassbeck-economics.de mit täglichen Analysen und Kommentaren zu Wirtschaft und Politik online gegangen.