Kenan Malik, Das Unbehagen in den Kulturen

kenan malik, das unbehagen in den kulturen„Was verstehen wir unter Vielfalt in einer Gesellschaft? Und warum sollten wir Vielfalt wertschätzen oder eben fürchten? Dies sind die Fragen, um die es in diesem Buch geht.“ (S. 19)

Der britische Publizist und Philosoph Kenan Malik setzt sich mit der Einwanderung insbesondere aus muslimischen Ländern nach Europa auseinander und versucht die gesellschaftlichen Reaktionen und Probleme zu analysieren.

„Das Unbehagen in den Kulturen“ geht der Frage nach dem Verlauf der Grenzen der Toleranz nach, die der Zustrom von Menschen aus anderen Kulturen und Religionen erfordert. Gilt es Immigranten zu zwingen, sich an westliche Normen anzupassen oder müssen sich die Gesellschaften auch an die Immigranten anpassen? Virulent sind diese Fragen seit der Einwanderungskrise 2015 und dem zunehmenden Terrorismus geworden.

Im Mittelpunkt der Analyse steht dabei der Begriff des „Multikulturalismus“, dessen Konzept verschiedene Ideen miteinander vermischt. Einerseits wird „Multikulturalismus“ verwendet, um eine Gesellschaft zu beschreiben, andererseits bezeichnet der Begriff auch ein „Bündel politischer Maßnahmen, diese Gesellschaft zu verwalten“ (S. 18) und Probleme der Einwanderung zu lösen. Dabei liegt zumeist die Vorstellung zugrunde, dass die Gesellschaft aus einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften“ (S. 18) besteht.

Wurde „Multikulturalismus“ früher als Antwort auf die Probleme von Einwanderung verstanden, werden sie heute als Ursache dieser Probleme betrachtet. Die Kritik führte wiederum zu einer generellen Ablehnung von Einwanderung, Vielfalt und bestimmten Gesellschaftsformen.

Malik stellt dabei zwei extreme Anschauungsformen gegenüber. Einerseits eine nativistische Grundhaltung, die besagt, dass Einwanderung den sozialen Zusammenhalt und die nationale Identität gefährde. Andererseits eine multikulturalistische Grundhaltung, die meint, dass der Respekt vor den Anderen verlangt, fremde Lebensweisen und Überzeugungen zu akzeptieren und zu schützen und nicht zu kritisieren und in Frage zu stellen. Beide Ansätze weichen einer gesellschaftlich notwendigen, verbindlichen und respektvollen Auseinandersetzung aus, in der die Werte und der Glaube anderer Menschen auch in Frage gestellt und kritisiert werden darf.

Als Wurzel des modernen Multikulturalismus macht Malik die „Idee der Identität“ aus, wie sie im romantischen Denken als Kontrast zum universalistischen Denken der Aufklärung formuliert wurde. Dabei wird eine Person als Teil von Kollektiven definiert, die über ihr Geschlecht, Sexualität, Religion, Kultur u.a. bestimmt werden. Der einzelne Mensch wird also als Teil von Gruppen betrachtet, die sein Wesen bestimmen. Eine liberale Theorie fordert daher, dass nicht nur einzelnen Personen der gleiche Respekt entgegengebracht werden müsse, sondern auch den verschiedenen Kulturen und Lebensweisen, da sie den einzelnen Menschen bestimmen.

Kenan Malik stellt den antagonistischen Betrachtungsweisen Dialoge und Debatten als Lösung gegenüber, in denen die unterschiedlichen Werte, Glaubenssysteme und Lebensweisen offen diskutiert und nicht - um der vermeintlichen Abwehr von Spannungen und Konflikten Willen - unter den Teppich gekehrt werden.

„Das Unbehagen in den Kulturen“ ist ein überaus wichtiges und empfehlenswertes Sachbuch, das sich mit einem der zentralen Themen der Gegenwart auseinandersetzt. Der Autor plädiert dabei für eine bewusste und offene Debatte über Einwanderung und gesellschaftliche Integration, wobei sowohl die Ideen des Multikulturalismus als auch die seiner heftigsten Gegner zurückgewiesen werden.


Kenan Malik, Das Unbehagen in den Kulturen. Eine Kritik des Multikulturalismus und seiner Gegner, hrsg. von Johannes Richard, übers. v. Niels-Arne Münch [Orig. Titel: Multiculturalism and Its Discontents. Rethinking Diversity After 9/11]
Frankfurt a. Main: Edition Novo 2017, 123 Seiten, 12,00 €, ISBN 978-3-944610-37-5

 

Weiterführende Links:
Edition Novo: Kenan Malik, Das Unbehagen in den Kulturen
Wikipedia: Kenan Malik

 

Andreas Markt-Huter, 06-05-2019

Bibliographie

AutorIn

Kenan Malik

Buchtitel

Das Unbehagen in den Kulturen. Eine Kritik des Multikulturalismus und seiner Gegner

Originaltitel

Multiculturalism and Its Discontents. Rethinking Diversity After 9/11

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Novo

Herausgeber

Johannes Richard

Übersetzung

Niels-Arne Münch

Seitenzahl

123

Preis in EUR

12,00

ISBN

978-3-944610-37-5

Kurzbiographie AutorIn

Kenan Malik ist britischer Publizist, u.a. Kolumnist für die International New York Times, Universitätsdozent und Rundfunkjournalist.