Bernhard Hüttenegger, Beichte eines alten Narren

bernhard hüttenegger, beichte eines alten narrenBei autobiographischen Texten stellt sich dem Leser immer die brisante Frage: Wie zufrieden und bescheiden ist der Autor trotz seines gewaltigen Lebens geblieben? Denn machen wir uns nichts vor, jedes Leben wird überdimensioniert wichtig, sobald es aufgeschrieben wird.

Bernhard Hüttenegger rüstet sich klug gegen den Größenwahn beim Rückblick auf das Leben. Das fängt schon damit an, dass er die Romanform wählt, worin bekanntlich alles augenzwinkernd-verschrägt dargestellt ist, und setzt sich fort mit der die Figur des alten Narren, der die Dinge zuerst in Echtzeit zurechtklopft und später als Chronik.

Als Rahmenhandlung für ein geglücktes Leben dient das Fuhrwerken im Schrebergarten, worin der abgeklärte Ich-Erzähler und seine Lebensfrau Mia mit Kerbel das Frühjahr beginnen. Und nach der Darstellung des Lebens, werden sie den Kerbel wieder aus der Saison nehmen und den Herbst kommen lassen. Dazwischen liegen die „Bilder einer gegenwärtigen Erinnerung, wie alles geworden ist.“ (18)

Durch die Beichte des alten Narren zieht sich als Hauptstrang der Erzählkanal von Weite und Enge, Kindheitsstadt und Studienstadt, Provinz und Welt. In den 1960er Jahren herrscht allenthalben Aufbruchsstimmung und auch in der Kunst wird erstmals seit der Abschottung durch die Nazis wieder die Welt ausprobiert mit neuen Ideen und Projekten. Der Held kommt in die Landeshauptstadt Graz und zelebriert seine eigene „Entzähmung“. (23) Rund um den Stadtpark-Pavillon tummelt sich die Künstlerschaft, die tief versackt ist in einem Provinz-Boheme-Milieu. Neben künstlerischen Auseinandersetzungen dient dieses Gelände auch als Arena der Liebeskämpfe, dabei wird Erotik wie Sport betrieben.

Aus der Entzähmung und dem Studium heraus entwickelt der Autor die sogenannten Gogol-Studien, worin er eine eigene Theorie von Leben und Tod während der Sommerfrische entwickelt. Alles rund um den Grundlsee verkommt zu einer Trachtengegend. Die Landschaft ist die Tracht der Natur. (59)
Obzwar das Gogol-Projekt überall auf der Welt mit Staunen aufgenommen wird, rührt sich zu Hause in der Provinz nichts, es scheint, als gehe die Saat der tausendjährigen Bergstadt der Kindheit erst jetzt auf. In diesem Milieu gibt es die Fügung vom „loserten Tag“, das heißt, Tage können sich in nichts auflösen.

Eine Auszeit von dieser Welt bringen Reisen nach Thule, an den nördlichen Rand des Erzählens. Kulturprojekte auf Spitzbergen und Steinkreise in Island erweitern schließlich ultimativ die Wahrnehmungsfähigkeit des Helden, und er beginnt, mit dem Clown als Alter Ego das Leben in der Erinnerung abzuarbeiten. Jetzt ist alles geklärt, Mia und Ich arbeiten im Garten, sie diskutieren über die Beisetzung ihrer Asche. Aber noch ist Herbst. Es bleibt Zeit, die Einsamkeit zu teilen.

Sobald die Sonne verschwindet, wird es empfindlich kalt werden. (149)

Bernhard Hüttenegger, Beichte eines alten Narren. Roman
Graz: Edition Keiper 2017, 149 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-903144-09-5

 

Weiterführende Links
Edition Keiper: Bernhard Hüttenegger, Beichte eines alten Narren
Wikipedia: Bernhard Hüttenegger

 

Helmuth Schönauer, 03-08-2017

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Hüttenegger

Buchtitel

Beichte eines alten Narren

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

149

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-903144-09-5

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Hüttenegger, geb. 1948 in Rottenmann, lebt in Wien und Kärnten.