Wilfried Steiner, Der Trost der Rache

wilfried steiner, der trost der racheDas Weltall und die Geschichte haben, zumindest wenn es nach dem Volksmund geht, eins gemeinsam: Die dunkle Materie in Gestalt von dunklen Löchern!

Wilfried Steiner knackt die Empfindsamkeit seines Helden Adrian mit dem rasanten Tod eines Onkologen. Im Roman „Der Trost der Rache“ stirbt der Vater Adrians an Krebs, obwohl er als Onkologe diesen ja vom Wissen her zähmen hätte müssen. Adrian geht es nicht mehr aus dem Kopf, dass wir letztlich nichts wissen und von Dunkelheit umgeben sind. Als Trauerarbeit wird er mit seiner Frau Karin auf die Kanareninsel La Palma reisen, um endlich durch das große Teleskop zu blicken, was seine Hobbykarriere als Astronom veredeln und zur allgemeinen Beruhigung beitragen soll.

In Las Palmas steht vorerst das Weltall weniger im Focus als eine chilenische Vogelkundlerin. Sara lüftet bald ihr Geheimnis, sie ist unter Pinochet gefoltert worden, und ihre Schwester hat man zum Verschwinden gebracht, wie diese schreckliche Fügung heißt. Rund ums Teleskop kommt es schließlich zur Zuspitzung. Der ehemalige Folterer arbeitet als Astronom, ein spanischer Chauffeur entpuppt sich durch ein Tattoo als Angehöriger einer Widerstandsbewegung, die offene Fälle aus Franos Zeiten rächen muss.

Im Kapiteldreischritt Das Verschwinden, Die Verschwundenen, Die Vergeltung kommt es im letzten Teil zum Showdown im wahrsten Sinne des Westernwortes. Bei einer Führung zum Teleskop soll der ehemalige Folterknecht Pinochets erschossen werden. Adrian ist begeistert von dieser Idee, dass man endlich auf der Erde Tabula rasa macht, anstatt ständig in die Unendlichkeit des Weltraums zu glotzen. Wie es bei Attentaten üblich ist, gehen sie ganz anders aus als geplant. Das genaue Ende darf hier nicht verraten werden.

Wilfried Steiner nimmt die Dramaturgie eines Abenteuer-Krimis als Gerüst, um darin didaktisch unauffällig allerhand Bildungsgut unterzubringen. So wird der Putsch Pinochets 1973 in Chile aufgerollt als Erinnerung, das heißt mit subjektiven Macken versehen. Dabei läuft zwischendurch auch die Militärjunta in Argentinien ins Erinnerungsbild, das subjektive Erinnern ist eben etwas anderes als die Vermessung durch die Geschichtswissenschaftler.

Auch die anarchistisch organisierte Widerstandsgewerkschaft CNT (73) in Spanien versucht immer noch vergeblich, die Gräueltaten Francos an den Pranger zu stellen und historische Aufarbeitung in die Wege zu leiten.
Es gibt diese Grauzone zwischen subjektiver Erkenntnis und wissenschaftlicher Katalogisierung der Vorgänge. Das Weltall mag als Musterbeispiel für das Unerklärliche dienen.

Die Welterklärer sind nicht lange zufrieden mit ihrer Dunklen Materie. […] Wir folgern daraus, dass das Universum zu fünfundneunzig Prozent mit etwas völlig Unerklärlichem gefüllt ist. (129)

Während man als Leser den Plot durchrast, hat sich das eigene Wissen schon wieder erweitert wie der Weltraum. – Eine elegante Erzählform.

Wilfried Steiner, Der Trost der Rache. Roman
Innsbruck: Haymon Verlag 2017, 274 Seiten, 22,90 €, ISBN 978-3-7099-7276-2

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Wilfried Steiner, Der Trost der Rache
Wikipedia: Wilfried Steiner

 

Helmuth Schönauer, 29-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Wilfried Steiner

Buchtitel

Der Trost der Rache

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

274

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-7099-7276-2

Kurzbiographie AutorIn

Wilfried Steiner, geb. 1960 in Linz, lebt in Linz.