Heathcote Williams, Die Windsors - Eine schrecklich nette Familie

bild: heatcote williams, die windsors„Wenn du zur Königsfamilie gehörst, ist England praktisch dein Privatanwesen, / Aus dem du, nachdem du majestätisch durch prachtvolle Häuser gerauscht bist, / Heraustrittst, um der allgemeinen Bevölkerung zuzuwinken / Und sodann Titel und Blechmedaillen an die Gutsarbeiter auszuteilen.“ (S. 56)

Der Dramatiker und Lyriker Heathcote Williams offenbart in seiner, im Geiste der Aufklärung und in Form eines Gedichtes verfassten poetischen Kritik, die dunklen Seiten der königlichen englischen Familie, deren positives Image er als Ausdruck der Ignoranz und des Selbstbetrugs der Öffentlichkeit brandmarkt.

Williams lässt kein gutes Haar an den Windsors, die er als „gutsbesitzende Verschwörerbande mit Wappen als Zeichen ihrer Privilegien“ (S. 11) denunziert, die ebenso für die Zulassung von Kriegen verantwortlich gemacht werden, wie für lukrative Waffengeschäfte mit diktatorischen Staaten für die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung oder Kriegsführung, die der königlichen Familie aber beachtliche Gewinne einbringen.

Während sie von ihren Untertanen verlangen für ihr Vaterland zu kämpfen und zu sterben, halte sich der Patriotismus der königlichen sehr in Grenzen. So habe der englische König im Winter 1915 beim Rodeln in St. Moritz verweilt, während in Flandern englischen Soldaten der Tod ereilte. Und der zurückgetretene englische König Edward VIII. riet dem deutschen Botschafter im Jahr 1940 verbittert England zu bombardieren und damit zum Frieden reif zu machen.

Aber auch die Jagdleidenschaft der Windsors wird von Williams gnadenlos aufs Korn genommen und mit zahllosen Fakten untermauert.

Bis 1993 hatte der Herzog von Edinburgh, stolzer Besitzer / Von 56 Jagdgewehren, 30000 Vögel vom Himmel geschossen, / Zwei Krokodile erlegt, ebenso unzählige Wildschweine, / Mehrere Hundert Schottische Hirsche sowie einen Königstiger. (S. 22)

Im Mittelpunkt der Kritik steht aber die enge Verbindung der königlichen Familie mit Waffen- und Rüstungsfirmen, an denen sie durch Aktienanteile ein Vermögen verdienen würden, sowie ihr immenser Reichtum, der in krassem Gegensatz zu den Sparmaßnahmen im sozialen Bereich stehe.

Die englische Monarchie erweist sich für Williams als Theaterspiel, in dem die königliche Familie den Menschen ein skurriles Spektakel biete, deren Macht weit über einen symbolischen Charakter hinausreiche. So habe die Queen für Staatsangehörige ehemaliger Kolonien und Schutzgebiete bis in die Gegenwart Todesurteile unterzeichnet. Die Verehrung der Monarchie sei aber Ausdruck unterwürfiger Verehrung von Obrigkeit.

The world’s sheepish subjects wave repetitively / At the privileged in their golden boxes, / “Look, the Queen!” they’ll gasp, again and again, / Without seeing the elephant in the room. (S. 157)

Heathcote Williams Kritik an der englischen Monarchie ist umfassend und radikal und deckt den Widerspruch zwischen dem abgehobenen Bild der Monarchie in der Öffentlichkeit und den weniger schönen Erscheinungen der Niederungen der Realität auf. Der englische Originaltext gibt dabei die poetische Dimension des Schmähgedichts auf die Monarchie, das ganz im Zeichen der Aufklärung Schein und Wirklichkeit als Waffe de Kritik einsetzt, besonders eindrucksvoll wieder. Eine überaus scharfe Waffe der Kritik, die nicht nur in England den nötigen Stoff vorfinden dürfte.

Heathcote Williams, Die Windsors - Eine schrecklich nette Familie / Royal Babylon (deutsch / englisch)
Frankfurt a. Main: Westend Verlag 2015, 176 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-86489-101-4

 

Weiterführende Links:
Westend Verlag: Heathcote Williams, Die Windsors - Eine schrecklich nette Familie
Wikipedia: Heathcote Williams

 

Andreas Markt-Huter, 21-08-2019

Bibliographie

AutorIn

Heathcote Williams

Buchtitel

Die Windsors - Eine schrecklich nette Familie / Royal Babylon (deutsch / englisch)

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Westend Verlag

Seitenzahl

176

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-86489-101-4

Kurzbiographie AutorIn

Heathcote Williams war ein englischer Dichter, Dramaturg, Schauspieler und politischer Aktivist. Insbesondere sein scharfzüngiger und subversiver Humor brachte ihm in Großbritannien einen gewissen Kultstatus ein. Für sein Theaterstück Wechselstrom/Gleichstrom wurde er mehrfach ausgezeichnet. Internationale Anerkennung erlangte er erstmals durch sein 1988 erschienenen Gedichtband Kontinent der Wale. Er starb 2017 in Oxford.