Mich Vraa, Die Hoffnung

mich vraa, die hoffnungDas klassische Sklaventhema gilt in Philosophie, Literatur und Politik seit dem amerikanischen Bürgerkrieg als abgehakt. Wenn man dann freilich hinter die glatte Fläche der Smartphones blickt, sieht man hinter den Apps die Sklaven der Gegenwart, wie sie die seltenen Erden schürfen, während wir damit belanglose Nachrichten herumsenden.

Mich Vraa widmet sich in seinem Roman „Die Hoffnung“ jener Bruchlinie, an der die Sklavenhalterei zuerst von Eliten in der Hauptstadt abgeschafft wird, während es draußen in den Kolonien noch ein paar Generationen braucht, bis sich diese Gesetze durchsetzen. Dänemark gilt in unseren Kreisen als das Musterland von Pädagogik und Inklusion, dennoch ist es über die Karibik und die Handelsgesellschaften stark in den Sklavenhandel verstrickt.

Im Roman Hoffnung wird auf drei Zeitebenen erzählt, wie schwerfällig die Implementierung des Humanismus in der realen Welt ausgefallen sein mag.

Im Mittelpunkt steht die Hoffnung, das ist naturgemäß ein philosophischer Begriff, im Roman ist die Hoffnung freilich auch ein Schiff, das zwischen Dänemark und der Karibik über Jahrzehnte unterwegs ist. Das Schicksal des Schiffes ergibt auch sprachlich konkrete Möglichkeiten: Die Hoffnung dümpelt dahin, die Hoffnung legt an, die Hoffnung läuft aus, die Hoffnung wird bestürmt, die Hoffnung sinkt.

Der Zustand der Sklaverei wird auf drei Ebenen erzählt. Einmal um 1788 kommt es an Bord der Hoffnung zu einem Sklavenaufstand, bei dem die Frau des Kapitäns vergewaltigt wird. Die daraus hervorgehende Maria bittet 1803 mit fünfzehn Jahren, dass sie ihr Vater, der mittlerweile Reeder geworden ist, auf seinem Schiff Hoffnung mitnimmt. Das Schiff ist jetzt illegal unterwegs, denn es transportiert in der Karibik Sklaven, obwohl es mittlerweile verboten ist. Bei einem neuerlichen Aufstand geht die Hoffnung unter, Maria überlebt und schreibt später alles auf.

Und noch einmal fünfzehn Jahre später bricht der intellektuelle Humanist Mikkel Eide nach Sankt Thomas auf, um vor Ort ein Traktat gegen die Sklaverei zu verfassen. Aber er ist noch nicht richtig in der Schreiberei angekommen, da verliebt er sich in das Sklavenmädchen Afi und der Traktat wird zu einer Liebesgeschichte. Den Humanisten treibt die Frage um, ob es nicht die gleichen hormonellen Kräfte sind, die zum einen Liebe und zum anderen Gewalt und Sklaverei bewirken können.

Handlungen, Thesen, Planungen und Traktate sind jeweils in Tagebucheintragungen und in Briefe verpackt, die sich ständig verzahnen. So wird der individuelle Zugang zum Thema mit der öffentlichen Verwaltung konterkariert, die urbane Idealwelt von der Freiheit kommt an Ort und Stelle unter die Räder, und die Hoffnung geht physisch und metaphorisch unter.

Mich Vraa erzählt von der Hoffnung im Sinne einer Parabel, die kein Ende kennt. Die einzelnen Abschnitte lassen sich bestens in die Gegenwart übersetzen, wenn es um Handelsbeziehungen, Märkte und Versklavung mit den griffig zu diskutierenden seltenen Erden geht. Eine unbarmherzige Geschichte, die zeigt, wie die Ideale durch die Realität zurechtgebogen werden, auch wenn man es zwischendurch Liebe nennt.

Mich Vraa, Die Hoffnung. Roman, a. d. Dän. von Ulrich Sonnenberg [Orig.: Haabet, Kopenhagen 2016]
Hamburg: Hoffmann & Campe Verlag 2017, 430 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-455-00155-6

 

Weiterführender Link:
Hoffmann & Campe Verlag: Mich Vraa, Die Hoffnung

 

Helmuth Schönauer, 05-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Mich Vraa

Buchtitel

Die Hoffnung

Originaltitel

Haabet

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Hoffmann & Campe Verlag

Übersetzung

Ulrich Sonnenberg

Seitenzahl

430

Preis in EUR

22,70

ISBN

978-3-455-00155-6

Kurzbiographie AutorIn

Mich Vraa, geb. geb. 1954, lebt in Odense.