Mario Wurmitzer, Im Innern des Klaviers

Was geschieht, wenn jemand im Märchenton „steckenbleibt“ und die kaputte Welt nur mit märchenhaften Satzformeln zusammenzukleben vermag?

Mario Wurmitzer erzählt einen politischen Thriller als skurriles Märchen. „Im Innern des Klaviers“ zeigt eine Königstochter und einen Lebenskünstler auf der Flucht vor einem repressiven System. Nach außen hin mag das Staats-Klavier vielleicht staatstragende Töne ausspucken, wer im Innern dieses Machtinstruments sitzen muss, ist zum Auswandern genötigt.

Der Roman führt uns in einem Ton durch die Wälder, der logisch und doch leicht daneben ist. Wie selbstverständlich tauchen Wildschweine an der Böschung auf und werden gegessen, im Hintergrund toben Wölfe, da wird der Held von einem Speer getroffen. An anderer Stelle versuchen Hirten quasi auf Hartz IV Basis Schafe zu hüten, die märchenhaften Vokabeln geben keinen Lebenssinn und sichern nicht einmal das Überleben.

Dazwischen probieren es welche mit Drogen oder anderen Rausch- und Befreiungsmitteln, Lucie und Simon etwa. Merke: Wenn in der Literatur eine Lucie auftaucht, sind seit dem Song Lucy in the Sky immer Drogen im Spiel. Hier ist es vielleicht Viagra, denn Simon kriegt nur eine Erektion, wenn er sich hinter Lucie stellt. (15)

Jetzt treffen die Königstochter und der junge Mann aufeinander und erzählen von den rigiden Umständen, die sie verlassen haben. Ob es politisch, physikalisch oder künstlerisch gemeint ist, die Umstände zwingen jedenfalls zur Flucht.

Als das Königsreich endet, wird es gefährlich, denn jede straffe Grenze ist lebensgefährlich. Was die Fliehenden freilich nicht wissen, ist die Tatsache, dass der Arm des miesen Königs auch ins Nachbarland hineinragt. Die Stadt Port Robinson ist genauso gefährlich wie das Land, das sie verlassen haben.

Halb im Untergrund, halb im Künstlerrausch fristen die Helden ein Märchen-prekäres Leben. Sabine setzt sich ans Spinnrad, um eigenes Geld zu verdienen. Jemand, der sich Max Müller nennt, treibt es mit kleinen Gedichten, die überall ausgehängt werden.

Ich leugne / Vaters Existenz / ab jetzt / * (66)

Die Königstochter wird inzwischen gefoltert und befreit, wobei es vielleicht nur ihre Wahnvorstellungen sind, von denen man sie erlösen muss.

Überhaupt entwickelt sich die Szenerie zu einer surrealen Installation, worin Kinderbuch, Lehrstück, politischer Kommentar und externe Glosse zu einem Konglomerat verwachsen, worin das Leben erträglich und furchtbar zugleich ist. Aber niemand kann in das Geschehen eingreifen. Und alles, was man tut, ist letztlich Aktionismus. So kaufen die Helden, die mittlerweile in einer erträumten Villa wohnen, einen Kübel Farbe und malen das Klavier blau an. Ab jetzt ist alles in eine blaue Stunde verwandelt.

Mario Wurmitzer gelingt mit den Mitteln der Farce und des überzogenen Märchens ein überzeigender Politthriller, der gefährlich schön ausartet.

Mario Wurmitzer, Im Innern des Klaviers. Roman
Wien: Luftschacht Verlag 2018, 175 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-903081-21-5

Weiterführende Links:
Luftschacht Verlag: Mario Wurmitzer, Im Innern des Klaviers. Roman
Wikipedia: Mario Wurmitzer

Helmuth Schönauer, 24-03-2018