Bosko Tomasevic, Früchte der Heimsuchung

Buch-Cover

Biblisch wie die "Früchte des Zorns" von John Steinbeck sind auch die "Früchte der Heimsuchung" von Bosko Tomasevic.

In einem Ton voller Leidenschaft, an manchen Tagen wild wie eine Prophezeiung, an anderen leidenschaftlich klar wie ein Psalm ausformuliert, durchquert ein lyrisches Ich sein eigenes Schicksal, das von Sehnsucht, Gottesfurcht und Enttäuschung gekennzeichnet ist.

Warum es dieses lyrische Ich immer wieder "zerlegt", wie man so schön im Volksmund sagt, hängt vielleicht damit zusammen, dass es Unerfüllbares will. "Ich durchwandere Städte, sammle Hirsche" (91) heißt es einmal geheimnisvoll. In diesem Gedicht ist die Menschheit ausgesiedelt nach St. Moritz, Miami oder Guantanamo, alles Welt-Orte voller Geschichtlichkeit, während sich das lyrische Ich mit dem Niemandsland der Lebensentwürfe herum schlägt.

Nach kalten Abenden / in Bibliothekenställen / nächtigen Rehe / schlafen auf den Büchern großer Denker / und uralter Dichter. (91)

Die Naturgebunde Welt der ungezähmten Sehnsucht, worin es vielleicht biologisch abgeklärt zugeht wie in Urwäldern, ist überlappt mit der Welt der Dichter, gezähmt zwischen den Buchdeckeln.

Das lyrische Ich bettelt geradezu um Heimsuchung in doppelter Bedeutung, einmal ist es eine Art Zuneigung, die vielleicht das Gemüt anspricht, andererseits ist es eine ausgewachsene Form von Unglück.

Zu einer uralten Winterstille / wird die Zeit fallen / mit dem Schnee. // Wird uns bedecken. (137)

Immer wieder in den Gedichten ist die Zeit angehalten als große Epoche und jenseits jeglicher Biographie. Die Früchte der Heimsuchung sind längst eingebracht und dämmern abseits der stillen Jahreszeit.

Manchmal werden Kindheitserinnerungen jäh zitiert, John Wayne, wie er auf dem Pferd sitzt und in die Zeitlosigkeit reitet, manchmal ist es auch ein Zeitungsausriss, der als Katastrophe durch die Medien gereicht wird wie der 11. September.

Die Früchte der Heimsuchung lassen sich nicht definieren, sie wachsen vielleicht, wenn man das Buch schon längst beiseitegelegt hat. Bosko Tomasevic hat auf jegliche Untergliederung verzichtet, die Gedichte sind wie in zwei Steigen gepackt erster Teil, zweiter Teil. Dennoch sind manche Titel sehr aufschlussreich: Arznei gegen das Dasein, Mein Schreibtisch in Auschwitz, Vor die Hunde geworfene Jahre.

Bosko Tomasevics Gedichte sind vielleicht "existentiell romantisch", wenn man einen speziellen Ausdruck zusammenkomponieren müsste. Sehnsucht, Sinnsuche, der Glaube, dass es etwas Unerreichbares geben könnte, treiben das Ich in "Fernen die nirgendwohin führten" (107).

Bosko Tomasevic, Früchte der Heimsuchung. Gedichte. Serbisch und deutsch. Aus dem Serbischen von Helmut Weinberger
Leipzig: Leipziger Literaturverlag 2011, 169 Seiten, 23,60 €, ISBN 978-3-86660-119-2

 

Weiterführende Links:
Leipziger-Literaturverlag: Bosko Tomasevic: Früchte der Heimsuchung
Bosko Tomasevic: Ein literarisches Leben zwischen den Welten

 

Helmuth Schönauer, 22-06-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Bosko Tomasevic

Buchtitel

Früchte der Heimsuchung. Gedichte. Serbisch und deutsch

Erscheinungsort

Leipzig

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Leipziger Literaturverlag

Übersetzung

Helmut Weinberger

Seitenzahl

169

Preis in EUR

23,60

ISBN

978-3-86660-119-2

Kurzbiographie AutorIn

Bosko Tomasevic, geb. 1947 in Becej (Vojvodina), lebt in Innsbruck. Er war erster Stadtschreiber in Innsbruck.

Helmut Weinberger, geb. 1964, ist Slawist an der Universität Innsbruck.