Peter Henisch, Siebeneinhalb Leben

peter henisch, siebeneinhalb lebenDer Rentner-Roman ist zwar weit verbreitet, wird aber kaum als solcher kaum mit dem Mund ausgesprochen. Denn in der Literatur geht es oft um beratende Geschäfte, und wer will schon einem Kunden zumuten, dass er einen Rentner-Roman lesen soll. In der Literatur nämlich gibt es keine Rentner, da alle entweder schreiben, lesen oder was verkaufen.

Peter Henisch quälen solche Gattungs-Diskurse nicht, er nennt seinen Roman Siebeneinhalb Leben, und wenn man das Komma dabei richtig setzt, kommt ein Geburtstagsroman zum Fünfundsiebzigsten heraus. Und seine Romane sind immer deshalb aufregend, weil auf der Oberfläche fast nichts passiert, außer dass jemand sein Gesicht in die Gegend hält, aus dem Fenster schaut, eine Katze streichelt oder ein altes Bild updatet.

Im aktuellen Roman geht es um das Updaten des vergangenen Lebens bei möglichst wenig Kraftaufwand. Der Ich-Erzähler Paul Spielmann sitzt wie immer in einem Park und kritzelt an seinen Texten herum. Er ist Schriftsteller und soll noch eine Autobiographie schreiben, weil sonst schon alles aufgeschrieben ist. Er ist gerade an der aufregenden Stelle, wo er vor Kraft strotzend mit dem Rad den Kahlenberg überwindet, als sich eine Person neben ihn setzt und sich als Max Stein hervortut.

Ein gewisser Max Stein hat vor Jahren einmal in einem Roman von Spielmann mitgespielt, aber so, wie sich der Unbekannte jetzt ausgibt, war er nie vorgesehen. Der Nörgler nämlich will nichts anderes, als dass der Dichter gewisse Stellen streicht oder abändert, weil sie falsch sind.

Der Held ist natürlich irritiert, er hat sich die Tage weniger aufregend vorgestellt. Denn einerseits wurmt es ihn, dass er gewisse Textstellen verändern soll, andererseits ist er grenzenlos neugierig, was die ganze Sache soll. Immer wieder treibt es die beiden zueinander, wobei sie immer entlegenere Bänke im Park ausfindig machen, um einander zu begegnen.

Der Ich-Erzähler ist so irritiert, dass er fast nichts mehr von seinem bisherigen Schaffen für richtig hält und immer wieder überlegt, was er updaten soll. Eine seinerzeit berühmte Stelle, wonach der unsägliche Waldheim in der Hofburg Schatten wirft, wird mit einem Plakat überblendet, wonach Van der Bellen in Tracht und mit Hund für die Heimat posiert. (94)

Zum literarischen Ungemach gesellt sich jetzt noch die emotionale, als der Kater Murko verschwindet. Das geht tiefer, als man als politisch abgebrühter Autor fürs erste glaubt. Vielleicht ist der Kater auch entführt worden, um dem literarischen Aufguss einen gewissen seelischen Schwitzkasten zu verpassen.

In einer Alptraum-Situation ist der Held schließlich in einer ausweglosen Schreibsituation gefangen. Der Kater sitzt ihm gegenüber, aber er kommt vielleicht nie frei, wenn er jetzt ein falsches Wort schreibt. Jemand spannt ihm eine Seite in eine alte Schreibmaschine, und eine Stimme befiehlt zu schreiben.

Peter Henisch, der alte Erzählfuchs jenseits aller Zeiten und Moden, macht den Leser schlaflos und aufgewühlt, indem er von nichts erzählt, außer von der Panik, dass nichts passiert. Für ein herzschwaches Publikum ist es wirklich besser, nicht von einem Rentner-Roman zu sprechen, es fiele auf der Stelle tot um, wenn diese wundersame Sache als Rentner-Roman bezeichnet würde.

Peter Henisch, Siebeneinhalb Leben. Roman
Wien: Deuticke Verlag 2018, 126 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-552-06380-8

 

Weiterführende Links:
Deuticke Verlag: Peter Henisch, Siebeneinhalb Leben
Wikipedia: Peter Henisch

 

Helmuth Schönauer, 14-08-2018

Bibliographie

AutorIn

Peter Henisch

Buchtitel

Siebeneinhalb Leben

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Deuticke Verlag

Seitenzahl

126

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-552-06380-8

Kurzbiographie AutorIn

Peter Henisch geb. 1943 in Wien, lebt in Wien.