Ludwig Roman Fleischer, Partnerlook

ludwig roman fleischer, partnerlookDie Weltliteratur, sagt man, ist sehr gerecht aufgebaut. Jedes Land darf einen besonderen Baustein dazu beitragen, und am Ende gibt es eine Fülle von Stoff, Erzähltechniken und überschäumenden Realismus.

Österreichs Beitrag zu diesem erzählenden Weltwunderwerk ist der „Innere Monolog“. Einst vom ruhiggestellten Arzt Arthur Schnitzler für seine Figur Fräulein Else 1924 erfunden, erreicht er seinen Höhepunkt in der Figur des Herrn Karl, der die österreichische Seele zu einem pragmatischen Kellerwesen ausbaut.

Und nicht nur in psychologischen Belangen ist der innere Monolog unschlagbar, er erweist sich auch als Erzählmeister einsamer Individuen, die von einer Pandemie in ihre eigenen Körperzellen gesperrt sind.

Ludwig Roman Fleischer greift die Technik des inneren Monologs nicht nur auf, sondern entwickelt und vollendet sie im Genre „Monologroman“. Darin nörgeln, schnurren, säuseln und kläffen ausgewählte Personen reiferen Lebensalters sich gegenseitig an, ohne das gegenüber aber zu erreichen. Denn das Tolle am inneren Monolog ist, dass ihn letztlich niemand versteht, außer der Person, die ihn vorgeblich hält.

Das Thema „Partnerlook“ geht auf das kindliche Empfinden zurück, dass man jemanden besser versteht, wenn man sich so wie er oder sie kleidet. Reife Lesende wissen freilich, dass dies ein großer nostalgischer Irrtum ist, der im extremen Fall zur Einkleidung von ganzen Musikkapellen und Schützenkompanien führen kann, wenn diese den Partnerlook auf den gesamten Marschierkörper ausweiten und alle im gleichen Gewand daherkommen.

Im Roman Partnerlook freilich beschränkt sich die Annäherung auf die irrige Annahme, man könne es im Alter noch zu einer Partnerschaft bringen, nachdem man ein Leben lang von diesem Lebensmodell enttäuscht, ausgespuckt oder verhöhnt worden ist.

Der Entertainer Dr. Bruno Tolbuchin lädt einen Haufen älterer Beziehungsfreaks ein, es einmal mit der Agentur Partnerlook zu versuchen. Dabei müsse man sich nur ordentlich vorstellen, der Rest würde sich von alleine ergeben.

So kommt es also zu einem Dutzend Selbstdarstellungen und Schicksalsschlägen, die sich monologisch aus dem Schwamm des Identitätshirns heraus träufeln lassen. Jemand hat einen Sprachtick und fragt nach jedem Satz „ wo bin ich stehengeblieben“, eine andere hat eine Eventagentur und gibt ein Heirats-Quarterly heraus, worin man von Hochzeitsglocken träumen darf.

Eine Heldin hat ihr Leben unauffällig im Griff und fühlt sich durch die „Partnerlook“-Idee animiert, einen emotionalen Tapetenwechsel zu riskieren. Das Arztmilieu lässt tief in die Ausschnitte hinter der weißen Dienstkleidung blicken, im Justizmilieu zeigt sich, dass es zwischen Beziehungen durchaus wild und forensisch zugehen kann, einer Vanessa verschlägt es beim Monologisieren fast die Stimme, so eine Torschlusspanik hat sie, ihr kontert Arni mit einem abschreckend brutalen Dialekt.

Ein Schriftsteller ist auch dabei, er monologisiert wie auf einer Dichterlesung und denkt, dass das unterhaltsam ist wie ein Buch.

Als Leser kennt man vielleicht manche dieser Schicksale aus Talkshows, Comics und Ratgeber-Sendungen, aber in dieser beinharten Schärfe und Penetranz hat man sie höchstens im vorigen Jahrhundert in der Erwachsenenbildung mit ihren Sitzkreisen erlebt. – In digitalisierter Form als innerer Monolog kommt der Keller der Seele vollends zum Vorschein!

Dass es schwer sein wird, abgehangene Psychen miteinander zu verknüpfen, steht bald einmal fest. Statt der angepeilten Kontakte nämlich bricht der berüchtigte Virus aus und treibt alle wieder in ihre Ställe der Isolation zurück.

Im zweiten Teil bietet die Agentur daher folgerichtig eine Online-Schreibwerkstatt an (105). Während draußen sogenannte „Kickl-isten“ von der Globulisierung der Welt schwärmen, wenden sich über den Account des Partnerlooks die Menschen ihren eigenen Ideen zu, die sie sich quasi selber vortragen, indem sie Absätze fürs Netz formulieren.

Ein Typ mit Administrator-Qualitäten schwafelt von der Theorie der Anwender, ein heimlicher Bildungsmanager erklärt den Sinn von Schreibwerkstätten. „Einer Schreibwerkstatt sollte – ehe das handwerkliche Schaffen ihrer Teilnehmer einsetzt – eine Besinnung auf das zur Hand liegende Material vorangehen. Die Sprache – allemal zunächst bloß gesprochen und erst dann geschrieben – ist ja der Mutterstoff, also die zur Bearbeitung bereitstehende Materie allen literarischen Tuns.“ (112)

Den Höhepunkt bildet ein aus der Hüfte heraus formuliertes Vademecum, worin die wichtigsten Floskeln verzeichnet sind, die es zu einem spontanen Wortbeitrag bis hin zum Monolog braucht.

Am Ende des Tages / ich habe mich schlau gemacht / da bin ich ganz bei ihnen / ich sehe hier massiven Handlungsbedarf / insofern weil / das ist ein absolutes No-Go / die Kulturpolitik hat uns außen vor gelassen / wir werden ein neues Maßnahmenpaket ausrollen (117)

Die User sind erstaunt, dass sich mit diesen Floskeln nicht nur die Pandemie bekämpfen, sondern auch das eigene Leben als Zusammenfügung von Phrasen beschreiben lässt.

Eine Pandemie agiert ähnlich wie eine Partnerschaft, sie geht in ein Fade-out über, niemand weiß, ob sie schon vorbei ist oder nicht.

Im dritten Teil „nach der Suche“ (man verliest sich leicht in Seuche) zeigen sich die Auswirkungen eines gigantischen Lockdowns. (143) Bei der einen ist der Arbeitsplatz weg, beim anderen die Konzentrationsfähigkeit, eine dritte hat jeglichen Kontakt eingestellt und liest nur mehr Anleitungen auf „Watt-Sepp“, ein vierter träumt vom Knusperhäuschen der Romantik und alle verfallen in einen inneren Monolog.

Ludwig Roman Fleischer beschreibt die Menschen als Geißeltierchen und geistige Einzeller, wie sie sich unterm Reagenzglas des Alters noch zu verschmelzen oder gar zu vermehren gedenken, aber von der nächstbesten Zelle ausgesperrt werden. Das Alter scheint eine Spermienjagd für nichts zu sein, auch wenn man als Genitalien inzwischen Wörter verwendet. – Ein grotesker Aufklärungsroman.

Ludwig Roman Fleischer, Partnerlook. Monologroman
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2022, 198 Seiten, 15,80 €, ISBN 978-3-903125-71-1

 

Weiterführende Links:
Sisyphus Verlag: Ludwig Roman Fleischer, Partnerlook
Wikipedia: Ludwig Roman Fleischer

 

Helmuth Schönauer, 11-10-2022

Bibliographie

AutorIn

Ludwig Roman Fleischer

Buchtitel

Partnerlook. Monologroman

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

Sisyphus Verlag

Seitenzahl

198

Preis in EUR

15,80

ISBN

978-3-903125-71-1

Kurzbiographie AutorIn

Ludwig Roman Fleischer, geb. 1952 in Wien, lebt in Wien.