Lisa Mayer, Du allein beschenkst die Diebe

Buch-Cover

Krimis sollte man am Abend lesen, Lyrik am Morgen. Eine kleine Restwahrheit ist dran an dieser Leseempfehlung, schließlich gibt es für manche Tage nichts Aufbauenderes, als am Morgen ein paar Gedichte zu lesen.

Lisa Mayer hat in ihrem jüngsten Gedichtband sogar ein lyrisches Morgenentree geschaffen, worin helle, ermunternde Texte den Leser zu Optimismus einladen. Die Sonne beugt sich quasi vom Balkon ihres eigenen Firmamentes, bürstet das erste Licht des Tages, das Ich betritt den Tag durch eine Apfeltür, jemand pflückt gut gesonnen einen Fächer aus Vogelstimmen und die Welt liegt da in stiller Umarmung.

Solchermaßen eingestimmt ist der Leser frei für die wichtigsten Dinge des Lebens, nämlich Wasser, Tanz, Versteck und Spaziergang. "Der Heimweg fand / ab der Hälfte / ohne uns statt." (29) Genau genommen ist es etwas Bedrohliches, wenn der Heimweg mitten im Spaziergang verloren geht, aber die Menschen in diesem Gedicht ?Spaziergang haben eine große Gelassenheit, verlieren den Tag irgendwie easy aus den Augen und gerade weil jemand die Tür aus der Angel stiehlt, wird plötzlich alles frei gelassen, was früher eingesperrt gewesen ist.

Vogel und Fisch tauschen heimlich die Häuser. In diesem Abschnitt verlassen die Begriffe ihre angestammten Plätze und kleiden sich mit Schärpen eines neuen Sinns. Da gibt es ein Gesicht, das nie altert, in Kanistern brennt die Zeit ab, aber verpufft nicht, "verloren schaut die Öffnung des Ärmels der Zeit nach" (35) und winkt irgendwie ins Leere. Am Toten Meer, in der Wüste, am Schnittpunkt frisch gegründeter Religionen und alter Kulturen versickert das lyrische Ich allmählich in den Schlieren von Regensehnsucht und Heimsuchung jeglicher Art.

Horch / die Bäume singen Überstimmen / ritzen mit den Kronen / meine Wünsche / an der Unterseite / vorübergleitender Winde // Erreichte nur einer / das Tote Meer / es würde erwachen (42)

Mitten in den archaischen Begriffen krümmt sich die Lyrik freilich auch zu kleinen Zeilen, die knapp am Abgrund zum Kitsch stehen. "Wir wimmern vor Nähe" (87) ist letztlich eine plastische Fügung, die sich in jene semantische Hitzezone vorwagt, worin man besser nichts mehr sagt.

Lisa Mayers Gedichte sind hell und knapp, man nimmt sie wie kleine Bissen, an denen sich der Optimismus abnagen lässt. Die Gedichte sind selbstbewusst als Gedichte ausgewiesen und wollen gar nichts anders sein als etwas Notwendiges, das immer wieder in Form gelungener Überraschung auftaucht.

Lisa Mayer: Du allein beschenkst die Diebe. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2005. 92 Seiten. EUR 14,40. ISBN 3-85218-473-8.

 

Helmuth Schönauer, 15-03-2005

Bibliographie

AutorIn

Lisa Mayer

Buchtitel

Du allein beschenkst die Diebe

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

92

Preis in EUR

EUR 14,40

ISBN

3-85218-473-8

Kurzbiographie AutorIn

Lisa Mayer, geb. 1954 in Nassereith, lebt in Puch/Salzburg.