Gerhard Strobl, Unbekannt verzogen

Buch-CoverHuch, das Postlerleben kann aufregend sein! Torsten Krulis macht auf den ersten Seiten des Romans zwar so öde Amtsauftritte in einem Paketpostamt, dass Gefahr besteht, die Leser könnten abspringen, aber wer es über diese Amtstätigkeit hinaus schafft, kriegt sein Abenteuer aus heiterem Himmel, wie es auch den Helden völlig unerwartet aus den Socken haut.

Grund ist ein Paket, das einer Frau namens "unbekannt verzogen" zugestellt werden muss. So ein Paket kann ganz schön erotisch sein, wenn man die Empfängerin nicht kennt, doch halt, es ist diese schöne Frau, bei der die Hormone der Männer auf offener Straße zusammenbrechen, wenn sie nahe genug an diesen vorbei geht.

Torsten Krulis ersetzt spontan das Gehirn durch Paarungsinstinkt und geht der Frau nach. Diese wird entführt, also nichts wie nach, gottseidank hat der Postler einen Oldtimer wie in Nostalgiekrimis, so dass er schnell und unauffällig den Tätern hinterher fahren kann.

In Verona tagt offensichtlich eine kriminelle Bande. So und ab jetzt begreift der Leser, warum nur ein Beamter so einen fall betreuen kann. Der Held wird nämlich wahlweise in München verhaftet, nach Italien abgeschoben, in eine inszenierte Fluchtszene eingespannt und irgendwie frei gesprochen. Ein bisschen von Kafkas Josef K. steckt da drin, der ja auch nie weiß, wie ihm geschieht.

Am Schluss kommt es zu einem "Stich-Down", als sich die Schwester der schönen Frau und diese um ein entführtes Kind duellieren. Dabei fällt der kriminaltechnisch aufregende Satz: "Das hatte sie nicht gewollt." (192) Wir unterscheiden ja im Täterprofil gewollte und ungewollte Verbrechen, diese Einteilung lässt sich auch bei Krimis anwenden, es gibt gewollte und ungewollte Krimis.

Gerhard Strobls Semi-Krimi ist auf lange Strecken ziemlich ungewollt, manchmal überrascht es den Autor offensichtlich genau so, dass es auf diese Art weitergeht, wie der Leser permanent überrascht ist. Highlights dieser unglaublichen Amtsgeschichte sind sicher die Tiroler Szenen. Tirol als permanenter Durchreiseort und Innsbruck als Standplatz für korrupte Richter, die schon mal ein gefälschtes Dokument ausstellen.

"Kurz nach Brixen platzte ihm der linke Hinterreifen." (48) "Bring das Kokain nach Innsbruck." (83) Ah, diese Sätze tun gut, Lokalkolorit in einer absurden Krimikultur!

Ein Rätsel freilich können weder Autor, Rezensent, Leser oder Helden lösen: -Was war im Paket? Trivialhistoriker empfehlen an dieser Stelle immer die Lesart, dass es sich um ein sogenanntes "Südtirolpaket" gehandelt haben könnte.

Gerhard Strobl: Unbekannt verzogen. Roman.
Innsbruck: Gerst Verlag 2004. 201 Seiten. EUR 9,90. ISBN 3-9501842-3-6.

 

Helmuth Schönauer, 17-03-2005

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Strobl

Buchtitel

Unbekannt verzogen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Gerst Verlag

Seitenzahl

201

Preis in EUR

EUR 9,90

ISBN

3-9501842-3-6

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Strobl leitet den Gerst Verlag in Innsbruck.