Daniel Banulescu, Ich küsse dir den Hintern, Geliebter Führer!
So genannte wahnsinnige Romane können am ehesten ein wahnsinniges System beschreiben im Sinne einer authentischen Dokumentation. Diese Superfiktionen können aber auch dazu dienen, so genannten normalen Systemen einen Spiegel vorzuhalten und zu zeigen, wie letztlich jede politische Zelebration mit einem Schuss Irrwitz unterlegt ist.
Daniel Banulescus erster Teil einer satten Trilogie über das perverse System der Ceausescus hält sich scheinbar an keine Logik, und trifft deshalb die Geschichte am genauesten.
Das Land ist aus dem Ruder gelaufen und wird als Bühne für ein zu großes Kind, das darin Figuren herum schiebt, köpft oder einfach in den Fluss kippt. Alles scheint ein Spiel auf Leben und Tod zu sein, andererseits tun sich immer wieder irrwitzige Lichtungen des Grotesken auf. So rennt etwa während einer Giga-Prozession für den Führer ein Hund durch die Gegend und schleppt böse Parolen gegen den Diktator hinter sich her, aber der Hund kann nicht dingfest gemacht werden, weil er ja die Wahrheit hinter sich her zieht.
Securitate-Männer streunen gelangweilt durch die Stadtviertel und brechen ab und zu jemandem die Knochen, wie anderswo vielleicht jemand ein Stück Papier gelangweilt zu Boden wirft.
Generell ist die Totale die perfekte Erzählperspektive für diesen Unsinn. Aber in der Figur des EK, wie der wieselflinke Student (oder was ähnliches) Eisenkraut genannt wird, ergibt sich eine rasante Innensicht der Geschehnisse. Die offiziellen Rituale treffen mit höchster Beschleunigung auf das Individuum, das von einem durchgehenden Speed ohne Richtung durchgeschüttelt wird.
In Anspielungen auf die rumänischen Dichter und ihre mehr oder weniger starken Kollaborationen mit dem aktuellen Zeitgeist entsteht ein semantisches Unterfutter für hohle Parolen und zünftige Witze.
Positive Überhöhung und staatstragende Travestie führen letztlich zu diesem schönen Titel: „Ich küsse dir den Hintern, Geliebter Führer.“ Die Helden haben sich scheinbar vorne dem System bestens angepasst und bekämpfen es raffiniert, indem sie sich ihm von hinten nähern und es dort so gut behandeln, bis es zerbricht.
In einem schauerlich schönen Vorwort skizziert Horia Garbea die Ceausescu-Ära und stellt die Spielregeln dar, wie über so eine Ära ein grotesker Roman funktionieren könnte.
Daniel Banulescus Roman ist ein sattes Leserlebnis, dem man sich als Leser insofern unmoralisch lüstern hingeben darf, weil die fiktionalisierten Ereignisse offiziell bereits Geschichte sind. Ein drakulanischer Genuss besteht bei der Lektüre freilich darin, dass viele Elemente dieser Politgroteske in kleiner putziger Form auch in unserem Land ablaufen. Auch in der offiziellen Handhabung des Landes wimmelt es von Figuren, die planlos als Umzug herumrennen und nicht wissen, wo vorne und hinten ist. Bei solchen Figuren lassen sich Küsse dann wahrlich nur sehr schwer an der richtigen Stelle anbringen
Daniel Banulescu, Ich küsse dir den Hintern, Geliebter Führer! Roman. A. d. Rumän. von Aranca Munteanu
Lana, Wien: edition per procura 2005, ( = abrasch 9 ), 367 Seiten, 15,00 €, ISBN 3-901118-56-X
Helmuth Schönauer, 03-01-2006