Maria E. Brunner, Was wissen die Katzen von Pantelleria

Buch-CoverPantelleria ist eine italienische Insel und liegt genau 83 Kilometer von Sizilien und 84 Kilometer von Tunesien entfernt im Mittelmeer.

Zu sehen gibt es vor allem einen vulkanischen Binnensee namens „Spiegel der Venus“, ein Kastell, verstreute Grabmäler, so genannte Sesi und Meeresgrotten. Das weiß beispielsweise unsereins, wenn er im Wikipedia nachschlägt. Was aber wissen die Katzen von Pantelleria?

In der Titelerzählung wird diese Frage gleich doppelt gestellt, nämlich was wissen die Katzen über die Insel und was wissen die Katzen der Insel überhaupt. Darüber wird auf der ganzen Insel gegrübelt, während alles seinen idyllischen Lauf nimmt.

Die Fischer sind am Morgen auf dem Weg zu ihren Booten, die Bäcker fahren ihre Ware aus. (66)

Maria E. Brunners kurze Einstiege in Landschaften, Gegenden, Menschen und Lebensreviere sind von kühner Einfachheit, als ob Postkartenmotive noch an lapidarer Schönheit unterboten werden könnten. Auf den ersten Blick ist alles so, wie man es sich vorstellt, aber dann sind dann doch die Bohrlöcher zu sehen, mit denen die glänzenden Inschriften in den Kalk geschraubt sind, in die Gesichter der Menschen oder in stark gebrauchte Gerätschaften.

Vier Landschaftszyklen werden von der Autorin angeworfen, in kurzen, heftigen Stößen, wie man früher vielleicht mit der Handkurbel Automobile angeworfen hat. Nach ein paar Sätzen beginnen die Prosastücke auch heftig zu rattern.

Im ersten Teil geht es um das Land aus Kalk. Am Balkan ducken sich geschundene Figuren durch den Bürgerkrieg, Vater Balkan hat die Zügel des Zusammenhalts aus der Hand gegeben, in den ehemaligen Fremdenverkehrseinrichtungen tauchen vereinzelt Flüchtlinge auf oder tauchen ab.

Bekanntlich finden in der üppigen Vegetation der Föhrenwälder die Paare ein einsames Paradies. Wenn sie nicht die Nächte in den aufgelassenen Grillrestaurants am Strand verbringen, die tagsüber als Pissoirs genützt werden. (19)

Der zweite Landschaftsteil widmet sich Metropolen und Inseln, von Brooklyn über Palermo geht es zur Titelinsel Pantelleria, dabei erweisen sich Städte als Überlebensinseln.

Der dritte Teil geht in der engeren Heimat der Autorin mit dem Gestus von Weltstädten dem Wind der Peripherie nach. So kommt nach einer Würdigung Bozens und insbesondere der Streitergasse ein kleines Theater in der Vorstadt zu ungeahnter Würdigung, während Kränze und Kommandos das Heimatkapitel ordnungsgemäß abschließen.

Im vierten Teil, dem landschaftlichen Winter, geht es um einen seltsamen Jahreswechsel, worin ein erfolgreicher Lebemann die Notbremse zieht, Weihnachten als business as usual abläuft und neue Mädchen ein Mädcheninternat beziehen, sich fassungslos voller Optimismus umarmen und beschließen, jenseits der Elternhäuser ein neues Leben zu beginnen.

Maria E. Brunner fräst sich mit diesen fein gearbeiteten Texten gleichmäßig und ausdauernd sowohl durch soziale, als auch durch morphologisch interessante Gesteinslandschaften. Dabei hinterläßt sie einen aufschlußreichen Bohrkern, der recht plastisch veranschaulicht, wie es so zugeht auf Inseln, in den Bergen und in der Wüste des Zusammenlebens.

Maria E. Brunner, Was wissen die Katzen von Pantelleria. Prosa.
Wien: folio 2006. 121 Seiten. EUR 19,50. ISBN 978-3-85256-330-5

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Maria E. Brunner, Was wissen die Katzen von Pantelleria
Lyrikwelt: Maria E. Brunner

 

Helmuth Schönauer, 06-07-2006

Bibliographie

AutorIn

Maria E. Brunner

Buchtitel

Was wissen die Katzen von Pantelleria

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

folio

Seitenzahl

121

Preis in EUR

EUR 19,50

ISBN

978-3-85256-330-5

Kurzbiographie AutorIn

Maria E. Brunner, geb. 1957 in Pflersch, ist Literaturprofessorin in Schwäbisch Gmünd.