Matthias Schönweger, Wie Gott sie schuf

Buch-CoverUnter einem saftigen Schäferroman versteht man etwas lieblich Schönes, die Figuren zeigen mit den Fingern aufeinander und machen dabei stille Erotik, die Landschaft ist fruchtig, Schönwetter ist angesagt und als Leser erlebt man Seitenweise Happyness.

Für Matthias Schönweger ist diese Vorgabe natürlich der ideale Ort, um einen Südtirol-Roman darin zu installieren, gilt doch Südtirol zumindest in Wort, Bild und Vorstellung als das Paradies. Freilich wäre Schönweger nicht Schönweger, wenn er diesem glatten Begriff Schäferroman nicht noch einen glitschigen Hintersinn verpasst hätte, wie ja auch eine gute Seife immer hinten und vorne flutschig und rein ist. Dieser Schäferroman handelt im konkreten Fall von den Schafen, die von einem guten Hirten belehrt und geführt werden.

Der Beginn ist fulminant wie eine Begrüßung durch die Kastelruther Spatzen: „Grüß Gott, ich bin Ihr neuer Pfarrer und schwul.“ Ein guter Hirte, der homosexuelle Kultur pflegt, nebenher noch als Schriftsteller tätig ist, das ergibt jede Menge guten Stoff.

Im Roman ist dieser Block aus Vorwürfen, Verwerfungen und Aufzeichnungen aufgeteilt auf realistische und fiktive Personen. Da die Grenze zwischen erstunken und erlogen nie genau bestimmt werden kann, wird eben gleich die ganze Figur erfunden. Dem am Buchdeckel aufgemalten Autor Matthias Schönweger, wird ein gewisser Mitterer beigestellt, der im Buch wie in der Tiroler Wirklichkeit die Aufgabe hat, zu allem seinen Senf hinzuzudichten.

Der historisch echte Pfarrer Anton Schwingshackl, dessen autobiographische Schriften zu seinen Lebzeiten von Verlagen abgelehnt worden sind, wird im Schäferkosmos schlicht Schwarz genannt, weil er vermutlich alles in dieser Unfarbe gesehen hat und durch seine schwarze Kleidung auffällig geworden ist.

Aus einer schriftlichen Hinterlassenschaft, die sowohl theologische, landpastorale wie typische Südtiroler Senf-Sätze auf das Papier gepresst hat, entwickelt sich nun ein umfangreicher Roman, der immer wieder durch Parolen und schwere Aufrufe unterbrochen wird. So genannte Schäferstündchen dienen den Protagonisten und dem Leser als Erholungspausen.

Während sich das Schicksal des schreibenden Pfarrers als Sackgasse und eigener Abgesang entwickelt, steigert sich der schreibende Mitterer in immer größere Entwürfe hinein. Dabei hat Mittterer einst am Gymnasium mit so genannten Durchfallgedichten begonnen, das sind kleine Verse, aus denen die Buchstaben während der Wortspülung abhauen. (176)

Obwohl ein echter Schäferroman ja keine Entwicklung zeigen darf, denn Schäfer und Schäferin lieben einander am Ende immer noch in einer perfekten Landschaft, gibt es bei Matthias Schönweger doch eine kleine Entwicklung, was die Südtiroler Schäferei betrifft: Die Sätze müssen jeden Tag neu nachgeschliffen werden, denn was gestern noch eine brauchbare Parole war, ist morgen schon eine hohle Nuss. So schleift denn auch der Autor unermüdlich alles zu neuem Sinn, was abgehalftert und als Wortstummel herumliegt. Und das dauert mindestens so lange wie das berühmte Schäfchen zählen am Abend, wenn das Tagwerk getan ist.

Matthias Schönweger, Wie Gott sie schuf. oder: Die Calla. Die Tunte. Ein Schäferroman.
Bozen: Edition Raetia 2006, 368 Seiten, EUR 24,90, ISBN 978-88-7283-272-1

 

Weiterführende Links:
Edition-Raetia: Matthias Schönweger, Wie Gott sie schuf
Homepage: Matthias Schönweger

 

Helmuth Schönauer, 12-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Matthias Schönweger

Buchtitel

Wie Gott sie schuf. oder: Die Calla. Die Tunte

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

368

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-88-7283-272-1

Kurzbiographie AutorIn

Matthias Schönweger, geb. 1949 in Tscherms, lebt in Meran.