Edin Prnjavorac und Veronika Nitsche (Hrsg.), Südostwind

Buch-CoverIch traf gestern einen Käfer / Er sprach kein Deutsch / und beschwerte sich über Kreuzschmerzen / in einer Sprache, / die ich nur deshalb verstand, / weil es um Schmerzen ging. Die Strophe aus Goran Novakovics Gedicht Die Sprache (S.34)stößt einen unmittelbar, wie mit einem kurzen Knüppel in die Welt der Migration hinein.

In knapp 100 lyrischen Texten zeichnen 38 Autorinnen und Autoren, die als MigrantInnen in Österreich leben, wehmütige Bilder von Sehnsucht, Heimweh, Überlebensängsten und vom Leben in der Fremde. Ihre Gedichte und lyrischen Texte sind Erinnerungen an die Vergangenheit aber auch ein Ausdruck von Hoffnung und nach dem Wunsch nach Friede und Freiheit.

Allein die Titel der Gedichte wie Mühsal der Rückkehr, Warum bist du mir so fern?, Umarmung des Winds, Ewige Wanderer, Vergebung, Befreiung oder Dem Mann, der zu leben beschlossen hat, lassen einen die existentielle Tiefe der Auseinandersetzung mit dem Schicksal erahnen, die ein zentrales gemeinsames Merkmal der Anthologie bilden.

Die Texte lassen einen nicht unberührt, sie zerreißen die zarte Illussion der Sicherheit, die sich in uns eingenistet hat und die uns im Glauben lässt, unser Leben kontrollieren zu können und jederzeit im Griff zu haben. Die Texte schreien einem die eigene Vergänglichkeit ins Gesicht, erinnern, wie schnell sich auch die eigenen Lebensverhältnisse ändern und wir auf nichts zurückgeworfen sind, als auf uns Selbst. Die Texte erzählen auch von der Zerrissenheit zwischen dem Alten und Neuen, der Vergangenheit und der Zukunft und von dem unsichtbaren Band, das sie zusammenhält.

Große, kleine, alle Wege sind verschwunden. / Wo wir überall nicht gewesen sind. / Norden, Westen, Süden, Osten. / Auf welcher Seite ist unser Weg? / Ein Glück, dass wir uns selber auf dieser Reise wieder finden.
Sofija Jovanovic, Kreisverkehr. in: Südostwind S. 68

Die Vielfalt und Qualität der ausgewählten Texte, die jeweils in der Muttersprache und in deutscher Übersetzung abgedruckt und von den Autorinnen und Autoren zum Teil selbst übersetzt worden sind, ist beeindruckend. Mit der Sprache der Texte fühlt sich der Leser auf Anhieb vertraut; es ist die Sprache der eigenen Ängste und Unsicherheiten, die jenen Teil des Menschen öffnen, in dem sich Menschen über alle kulturellen und sprachlichen Barrieren hinweg berühren.

Insgesamt zeigt der Sammelband das überaus reiche kulturelle Potential, das im Phänomen der Migration verborgen liegt. In dem überaus empfehlenswerten Sammelband befinden sich auch die Texte von zehn in Tirol lebenden Autorinnen und Autoren.

Edin Prnjavorac und Veronika Nitsche (Hg.) Südostwind - Anthologie der Migration aus Südosteuropa, den Balkanländern. Neue österreichische Lyrik 6, mit zahlr. Abb.
Landeck: Emirgani Yayinlar Edition (EYE) 2006, 150 Seiten, 19,00 EUR, ISBN 978-3-901735-19-6

 

Das Buch ist zu bestellen unter: www.brg-landeck.tsn.at/~eye

Weiterführender Link:
EYE-Literaturverlag: Südostwind - Anthologie der Migration aus Südosteuropa, den Balkanländerng

 

Andreas Markt-Huter, 17-01-2007

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Bibliographie

AutorIn

Edin Prnjavorac und Veronika Nitsche

Buchtitel

Südostwind - Anthologie der Migration aus Südosteuropa, den Balkanländern

Erscheinungsort

Landeck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Emirgani Yayinlar Edition (EYE)

Herausgeber

Edin Prnjavorac und Veronika Nitsche

Reihe

Neue österreichische Lyrik 6

Seitenzahl

150

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-901735-19-6