Buch-CoverNichts fordert die Literatur so sehr heraus wie ihr Verweilen am Ende der Welt. Braucht die Literatur überhaupt einen Ort, um existieren zu können? Wird umgekehrt nicht ein entlegener Ort zu einem Weltereignis, wenn zu ihm die Literatur auf Besuch kommt?

In Norma Huidobros Roman geht es um den Rand der Welt. Im "verlorenen Ort" ist rein äußerlich alles reduziert auf das Wesentliche, das Dorf Villa del Carmen ist ein Übergang zwischen Siedlung und Brachland, ein Außenposten der Zivilisation, ein Vorposten des Nichts. Hier zu leben bedeutet offensichtlich Existenz-Luxus, denn außer am Leben zu sein und die Zeit in ihrem Ablauf zu verfolgen, gibt es hier nichts zu tun.

Buch-CoverJe aufregender die Hüllen umso mieser die Füllen, heißt es im Volksmund. Tatsächlich steckt hinter einer hochwohlgeborenen Figur oft ein recht dürftiger Charakter.

In McEwans Roman "Solar" geht es um einen solchen Anti-Helden. Michael Beard nämlich ist nichts anderes als Nobelpreisträger für Physik, der von seinem internationalen Ruhm lebt und das Leben durchschnittlich und letztlich hilflos abarbeitet. Das äußere Getue lässt schon darauf schließen, dass der Held mit sich selbst nicht zurechtkommt.

Buch-CoverSelten wird ein Autor dafür in der Literaturgeschichte berühmt, wofür er sich hält. Meistens wird ein scheinbar unbedeutendes Werk als das wichtigste eingestuft, oft geht auch ein unbewusster Sager in die Unsterblichkeit ein, manchmal auch ein biographisches Detail.

Georgi Markov ist berühmt geworden für seine Hinrichtung, er wurde 1978 in London vom bulgarischen Geheimdienst in James-Bond-Manier mit einer vergifteten Regenschirmspitze ermordet.

Buch-CoverIn der Kurzschrift wird jene Wirklichkeit zusammen gefasst, die zwar schon abgeschlossen, aber noch nicht für die Geschichte frei gegeben ist. Beispielsweise ist ein Sachverhalt diktiert und in Kurzschrift niedergeschrieben worden, aber der Text ist noch nicht öffentlich, denn er muss erst ins Reine geschrieben werden.

Güni Noggler notiert in seinen Kurzschriften jeweils das Wichtigste vom Tag, verknappt es zu einer prägnanten Sequenz und gibt diese Zeilen dann an den Leser weiter, damit sich dieser daraus seine passende Geschichte zusammenbasteln kann.

Buch-CoverManchmal kann ein Roman eine verzwickte Situation lösen, wenn er diese Verknüpfung ungelöster Probleme zum Thema macht.

In Rolf Dobellis Roman Massimo Marini geht es schlicht um ein Stück Schweizer Identität und um die Unmöglichkeit, ohne schroffe Wunden in der Seele alt zu werden.

Buch-CoverDer Schwachpunkt jeglicher Wissenschaft, strahlt letztlich über jegliche Arbeit: Die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen.

Peter Zellmann weiß um die Endlichkeit wissenschaftlichen Begehrens, und macht sich dennoch auf, um die Zukunft der Arbeit zumindest mit einem groben Raster einzufangen.

Buch-CoverEs gibt diese zuckersüßen Klischee-Orte, in denen sogar noch das Verbrechen nach Süße schmeckt. Manche Zyniker behaupten, ganz Österreich sei ein Verbrechen in Gestalt eines Punsch-Krapferls.

O.P. Zier hat sich für seinen mörderischen Roman eine schmalzige Location ausgesucht, die Stadt Salzburg mit ihrem schrägen Mozart-Kult ist allemal für einen Schauplatz des süßen Grauens gut.

Buch-CoverManche Orte strömen schon in ihrem Namen den vollen Hauch der Verbannung aus. Es klingt nach Ende, Sackgasse, schroffer Geographie. Landeck ist so ein Ort voller Verbannung, nicht umsonst liegt auf seiner Schulter eine aufgedunsene Kaserne.

Roman Santeler nennt seine Gedichts-Einträge von der Peripherie schlicht Landecker Hefte, zwei davon hat er angelegt, Glückliche Zeiten und Silentium. Schon das erste Gedicht macht alles klar:

Buch-CoverEs gibt so gut wie keinen Anlass, zu dem man nicht essen könnte. Und der Körper kennt keine noch so wilde Verrenkung oder Stellung, in der sich nicht ein Menü einführen ließe.

So ist es kein Wunder, dass Herbert Rosendorfer, der Meister für extreme Situationen, einen lukullischen Hinrichtungsführer geschrieben hat.

Buch-CoverDer Künstlerberuf wird im Volksmund gerne als Hungerleider-Beruf dargestellt, das heißt, kaum jemand kann von seiner Kunst leben. Dass es das Hungern auch als Kunstinhalt gibt und der Trance-Zustand beim Verhungern in künstlerische Höchst-Sphären führen kann, ist die andere Seite des Hungerns.

Bernhard Kathan, Experte für Ernährung in der Literatur und essbare und nichtessbare Tiere im Kulturbetrieb, geht in seinem Essay einigen Hungerkünstlern nach. So gibt es erstaunlich viele Texte, die einfach mit dem Hunger zu tun haben, ob bei Knut Hamsun, Daniil Charms, Gogol oder Kafka.