Einen Roman, der ständig explodiert, sich selbst erklärt, den Leser zum Mitarbeiten einlädt und überall auf der Welt synchron spielen kann, nennt man Metafiktion. Das ist immer als ein Kompliment aufzufassen, dass es sich um keinen Krimi handelt.

Lilly Jäckl legt wie in feinen Lokalen zuerst einmal das Besteck aus, ehe die Speisen aufgetragen werden. Der spanische Titel wird beinahe widerwillig übersetzt, „ich schlafe gerade“ ist nämlich der Hauptzustand einer beteiligten Person und eine Art Krankenhaus-Kinderbuch, das verloren gegangen ist und notdürftig in Ausrissen zusammengesetzt wird.

Das Konsequente an der Geschichte ist, dass sie als gigantischer DNA-Faden durch die Jahrhunderte zieht und nie aufhört. Alles, was in der sogenannten Gegenwart passiert, hat eine mehr oder weniger historio-genetische Verbindung zur Vergangenheit.

Elisabeth Malleier zeigt am Beispiel zweier alleinerziehender Mütter zur Optionszeit, wie die Sache weitergegangen ist. Und letztlich ist sie selbst Opfer und Produkt der Option.

Ziel der Masse ist es, irgendwohin zu rennen, ohne zu wissen warum. Einmal in Bewegung, ist der Masse jedes Ziel recht. Aber was löst diesen Massenauflauf aus?

Norbert Loacker zeigt am Beispiel von Disneyland, welche Träume und Erlebnisrituale angesprochen werden, wenn sich plötzlich so etwas wie eine neue Welt auftut. Mittlerweile auf mehreren Kontinenten vertreten, spielt sich in diesen Freizeitparks etwas Postcineastisches ab, das einerseits das Abarbeiten filmischer Gefühle ermöglicht und andererseits neue Filme erlebnistechnisch vorbereitet.

Der Sinn von Denkmälern muss immer wieder neu definiert werden, unbestritten sind diese Stelen, Figuren und Obelisken freilich als Orientierungshilfe bei der Müllentsorgung, als Treffpunkte für erotische oder psychodelische Rendezvous und schließlich als ideale Schauplätze für literarische Morde.

Clemens Lindner baut das Schicksal seines Helden Fetz rund um das Waltherdenkmal am Waltherplatz zu Innsbruck auf. In einer Welt voller Fiktion und Spielereien wird das Denkmal des mittelalterlichen Ober-Minnen zu einer Schnittstelle zwischen Wahn und Wirklichkeit. In einem Waltherzitat als Vorspann wird darauf hingewiesen, dass niemand ohne eine gewisse Grundfeindschaft leben kann.

Reisebücher beschreiben meist ein Stück Geographie mit mehr oder weniger interessanten Menschen drin, eine spezielle Form ist jene, die dabei ein Stück Zeitgeschichte bereist.

Norman Lewis wird 1943 in einem Schnellsiedekurs zu einem Nachrichtenoffizier für die Nachkriegszeit ausgebildet, Schwerpunkt dabei: Verwaltung eines Gebietes, das eben frisch von der Armee befreit worden ist. Ab dem Herbst 1943 ist der Erzähler etwa ein Jahr lang in Neapel stationiert, dabei ändern sich die Aufgaben beinahe stündlich.

Wie Mais, Erz oder Altreifen werden Krimis mittlerweile als Massengut transportiert und in Tonnen abgerechnet. Dabei ist der Container noch die kleinste Abrechnungseinheit, es gibt Buchhandlungen, die ordern ganze Schiffsladungen von abgerundeten Krimis. Um in diesem Schüttgut den Überblick zu behalten, nummerieren die Autorinnen ihre Fälle durch, das hilft bei der Abrechnung, und auch die Leser sind froh, wenn sie sich eine Zahl merken können statt eines nichtssagenden Titels.

Lena Avanzini ist also jetzt beim zweiten Fall der Carla Bukowski und die größte Spannung tritt auf bei der Überlegung, wie viele es noch werden könnten. Gleich zu Beginn wird durch geschicktes Verhör ein Fall in Highspeed geklärt, eine Frau, die beinahe in flagranti beim Morden erwischt worden ist, gesteht diesen beinahe spontan.

„Die meisten historischen und rezenten Weltsprachen, d. h. Sprachen mit globalem Kommunikationspotential, gehören genealogisch zur indoeuropäischen Sprachfamilie […]. Wie kam es zu dieser Erfolgsgeschichte der indoeuropäischen Sprachen? Wo liegen ihre Ursprünge?“ (11)

Bereits im Mittelalter gab es erste Versuche Sprachfamilien wie romanische und germanische Sprachen zu unterscheiden. Im 17. Jahrhundert wurden erstmals ernstzunehmende Versuche unternommen übergreifende Sprachfamilien zu erkennen, was aus der Beschäftigung europäischer Gelehrter mit der indischen Sprache und Kultur zurückgeht. In dieser Zeit setzte eine zahlreiche Sammeltätigkeit von Sprachen ein, wie z.B. in Russland und den Zaren Peter I. und Katharina II. oder in Amerika, wo George Washington die Inventarisierung der Indianersprachen vorantrieb.

Manchmal sind es kleine Überlegungen, die eine große literaturhistorische Idee auf die Beine bringen. Lässt sich etwa die Tiroler Literatur dadurch beschreiben, dass in ihr immer wieder schizophrene Zwillinge als Priester und Dichter auftreten? Stark wäre diese Theorie, weil es ja eine gegenteilige Faustregel gibt: Die Religion verdunkelt, die Literatur erhellt!

Martin Kolozs stellt vier sogenannte Priesterdichter probehalber hintereinander und macht eine Gedankenkette heraus. Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher liefern fallweise verblüffende Zusammenhänge, bis auf Stecher sind sie alle Osttiroler, die Lesen und Schreiben als Religion gelernt haben, alle zweifeln in ihren Schriften zwischendurch an ihrer Begabung, halten aber dennoch in Religion und Schrift durch, Reimmichl und Reinhold Stecher sind zudem ungebrochene Best- und Longseller in Tirol, sie liefern offensichtlich eine Welt, die das lesende Tiroler Publikum sucht und durch Kauf belohnt.

In der Konsumgesellschaft gibt es ein großes Tabu, nämlich das Ende der Dinge und Dienstleistungen zu denken.

In Heinz Helles Roman machen sich fünf junge Männer auf, um in Tirol auf Abenteuer zu gehen, wie es sich für einen Kurzurlaub geziemt. Wie Tausende an jedem Wochenende rollen sie gut gelaunt und wohl auch mit diversen Hilfsmittel stimuliert den berüchtigten Irschenberg hinunter in jene Senke, von wo aus man ins verheißene Land Tirol abbiegt. Aber kaum sind sie durch die Gebirgsarschbacken des Landes eingedrungen, zeigt sich alles ausgebrannt, vernichtet und zerstört.

Die Gegenwartsliteratur besteht ja immer auch aus einem Segment voller Werbung. Zyniker sagen, in der Konsumgesellschaft wird gar nichts anderes erwartet, als dass ein Produkt ohne Inhalt für sich wirbt. Die abgedroschenste Form, Literatur zu lancieren, besteht daher momentan darin, dass man überall Krimi draufschreibt.

Doris Gercke ist mit ihrem Roman „Milenas Verlangen“ zum Krimi-Handkuss gekommen. Letztlich geht es um drei derangierte Personen, die tief verwundet ihre Seelenpatzer wegwischen wollen. Da ist zum einen die Ich-Erzählerin Milena, die als Anwältin aus dem Justizbetrieb ausgestiegen ist und jetzt mit ihrer Tochter in einem Streifen zwischen Strand und Nichts lebt, das sie hoffnungsvoll Provinznest nennen. (167)