moritz baßler, populärer realismusModerne Romane sind wie moderne Mehrsystem-Loks, du kannst überall damit fahren, aber die angehängte Ladung besteht meist aus fossilen Produkten oder überhaupt aus Müll. – Dieser seufzende Vergleich deutet auf das Dilemma des sogenannten Einheitsromans hin, wie er in der EU mittlerweile genormt produziert, vertrieben, aber kaum gelesen wird. Statt Abenteuer gibt es Spurtreue, statt Schicksal tritt psychologischer Schnickschnack auf.

Moritz Baßler untersucht seit Jahren dieses Phänomen, das er „populären Realismus“ nennt. Die im Witz als Mehrsystem-Lok vorgestellte grenzüberschreitende Dynamik heißt bei ihm „International Style“.

michil costa, raus  aus dem rummelTourismus funktioniert meist dort, wo zumindest eine der beteiligten Parteien das Denken eingestellt hat. In den Alpen haben sowohl Anbieter als auch Konsumenten die Reflexion während ihrer Tourismus-Performance eingestellt, weshalb er so prächtig funktioniert.

Michil Costa verwendet einen sehr emotionalen Titel für sein Plädoyer gegen die touristische Monokultur, das „Raus aus dem Rummel“ ist freilich eine Würdigung des eigenen Lebenswerkes mit der Bitte an imaginäre Enkel, es vielleicht doch anders zu machen.

thomas piketty, eine kurze geschichte der gleichheit„Dieses Buch bietet eine vergleichende Geschichte der Ungleichheit zwischen gesellschaftlichen Klassen in menschlichen Gesellschaften – oder vielmehr eine Geschichte der Gleichheit, gibt es doch eine langfristige historische Tendenz zu mehr sozialer, ökonomischer und politischer Gleichheit.“ (S. 13)

Auch wenn sich grundsätzlich seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Tendenz zu mehr Gleichheit in den Bereichen Status, Eigentum, Einkommen, zwischen den Geschlechtern und Rassen beobachten lässt, bestehen die Ungleichheiten auf allen Ebenen weiterhin fort. Um weitere Verbesserungen in Gang zu setzen, ist es daher wichtig, zu erkennen, welche Kämpfe, Bewegungen und institutionellen Veränderungen in der Geschichte nachhaltig zu mehr Gleichheit geführt haben.

alessandra dorigato, a modo mioWenn du eine Kultur verstehen willst, musst du sie kochen! – Nicht umsonst hat etwa der europäische Wieser-Verlag ein umfangreich gastrosophisches Angebot in seinem Repertoire und wirbt mit dem Slogan, dass die beste Übersetzung die Küche sei. Auch der Raetia Verlag als wesentlicher Vermittler zwischen den Sprachgruppen legt immer wieder sogenannte Kochbücher auf, um den Kulturtransfer auf der Zunge zergehen zu lassen.

Überhaupt spielen Kochbücher ab einem gewissen Lese-Alter eine tragende Rolle, sprechen sie doch die schwindenden Sinne der Benützer in anregenden Portionen an, und vermitteln vor allem Optimismus, dass die Sache gut ausgeht. Denn jedes Kochbuch sprüht gute Rezepte über den Küchentisch, es gibt keines, das schlechte Arrangements auf den Teller zaubern will.

ronald weinberger, irrlichternde gedichteDer wissenschaftlichste Witz aller Zeiten geht in etwa so: Ein Witz kommt auf die Bühne und erklärt, dass er ein Witz sei.

Ronald Weinberger reizt mit seinem Lyrik-Potpourri „Irrlichternden Gedichte“ jene Grenze aus, die zwischen Humor und Wissenschaft, Witz und Traktat liegt. Dabei tut sich ein unerwartetes Problem auf: Wächst der Humor mit dem Wissen mit? Oder trennen sich die beiden während des Gedichtes, wenn es ihnen zu viel wird?

ronald weinberger, die astronomie und der liebe gottBücher über große Themen unterliegen dem Erzählparadoxon: Je größer das Thema, desto bescheidener hat die Erzählhaltung auszufallen.

Ronald Weinberger nimmt sich berufsbedingt das größte denkbare Thema zu Herzen, das wahlweise mit All, Weltraum oder Universum bezeichnet wird. Seinen bescheidenen Erzählstandpunkt drückt er in einer Widmung aus, indem er sich bei den Eltern bedankt, die ihn als Teil des Universums auf die Welt gebracht haben. Nebenbei sind sie fröhlich geblieben und erst in hohem Alter abgeklärt verstorben.

johannes huber, wunderwerk frau„In diesem Buch wird der Versuch unternommen, sich dem vielstimmig beschworenen »Wunderwerk Frau« wertfrei und objektiv anzunähern, nämlich aus medizinisch-biologischer Sicht. Hier zeigt sich, dass es keine Übertreibung ist, angesichts der Vorteile und Eigenschaften mit denen die Evolution Frauen ausgestattet hat, von einem wahren Wunderwerk zu sprechen.“ (S. 7 f)

Das Sachbuch „Das Wunderwerk Frau“ geht in zehn Kapiteln den weiblichen Vorzügen und Möglichkeiten nach, welche die Evolution im Laufe der Zeit für Frauen entwickelt hat.

franzobel, einsteins hirnIn Österreich kommen manche erst dann mit Bildung in Kontakt, wenn ihnen bei der Autopsie das Hirn entnommen und die Kopfhöhle mit der Kronenzeitung ausgestopft wird.

Diesen Witz greift Franzobel schelmisch auf, wenn er überlegt, wie man Bildung, Gott und die Welt als Genie-Streich haptisch machen könnte für einen Roman. Der Autor bedient sich dabei der prognostizierenden Faktenmethode, indem er zuerst einen Plot fiktiv entwirft und anschließend die darin vorkommenden Fixpunkte analog abreist, bis daraus eine Art Tatsachenroman formuliert werden kann.

heinz pachernegg, auf reisenDer Tourismus ist an die Erfindung der Fotografie gekoppelt. Wo es nämlich nichts zu fotografieren gibt, hat es auch keinen Sinn, hinzufahren. Umgekehrt muss ein Fotograf ständig mit touristischer Geste unterwegs sein, will er seinen Pixelspeicher am Jahresende voll haben.

Heinz A. Pachernegg ist als Berufsfotograf und Fotoessayist viel „auf Reisen“ und kommt daher dem berühmten Beatnik-Motto „on the road“ sehr nahe, wonach Menschen, Wörter und Bilder ständig zu sich selbst unterwegs sind. Das Zusammenschmelzen dieser drei Bewegungskörper geschieht in der Pareidolie, wie Andrea Wolfmayr in ihrem Einleitungsessay bemerkt. Pareidolie bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen.

serge haroche, licht - eine geschichte„Dieses Buch verbindet die Geschichte des Lichts mit meinen persönlichen Erfahrungen in der Forschung. Es ist in zwei etwa gleich große Partien unterteilt: Drei Kapitel – das erste und die beiden letzten – behandeln die vergangenen fünfzig Jahre. Sie beschreiben meine eigenen Forschungen und die Arbeiten meiner Zeitgenossen, an deren Entdeckungen ich teilhaben konnte.“ (S. 16)

Die Geschichte der Erforschung des Lichts ist auch eine Geschichte der Entwicklung der Physik als Wissenschaft und geht zurück bis in die Zeit der Anfänge wissenschaftlichen Denkens und Forschens in der Neuzeit.