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In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion werden die letzten Jahre des Imperiums als „Moskauer Jahre“ bezeichnet, damit kann man zeitgenössisch präzise sein und dennoch die Gefühlsdistanz zur alten Mutter Hammer-Sichel kundtun.

Julia Kissina schickt ihre Heldin Elephantina als angehende Künstlerin von Kiew in die Hauptstadt Moskau, wo sich im halboffiziösen Untergrund eine geradezu phantastische Künstlerszene entwickelt hat. Elephantina klingt ja selbst schon wie eine Heldin aus einer angerauchten Gegend, ihr Geliebter ist Tomaterich. So wie sich die Helden der Revolution Künstlernamen wie Lenin oder Stalin gegeben haben, benützen jetzt auch die Künstler ihre Kampfnamen der Phantasie.

In einem geordneten System wie der Medizin, der Pädagogik oder der Literatur geht man davon aus, dass etwas beabsichtigt wird, und „daneben“ können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Nun wissen aber gewiefte Mediziner, Lehrer und Autoren, dass es besser ist, Haupt- und Nebenwirkung zu vertauschen, um das Ziel zu erreichen.

Ludwig Roman Fleischer untersucht in seinen literarischen Fallbeispielen knapp zwanzig solcher Nebenwirkungsfälle, die naturgemäß dermaßen skurril und „entrig“ ausgehen, dass man wahrscheinlich bei keinem Gericht der Welt den Schaden einklagen kann. In der Hauptsache ist es das System, das die Sachen vertauscht und etwa Fußnote mit Überschrift verwechselt.

Lebensentwürfe zeigen ihre wahre Größe erst, wenn sie am Nullpunkt angekommen sind. Erst wenn die Helden ihrer Ideen-Verkleidungen beraubt sind, können sie auf ihre tatsächliche Überlebenskraft zugreifen.

Karoline Cvancara ist mit dem Roman „Am Tiefpunkt genial“ ein perfektes Kammerstück aus dem Wiener Bobo-Grätzl Josefstadt gelungen. Auf engstem Raum ist alles vorhanden, was man zum Glücklichsein braucht. An allen Ecken und Enden sind diese kleinen Geschäfte, die sich unter der Globalisierungshaube wegducken und Wärme und Menschlichkeit verbreiten. Die Griechen und Italiener und sonstigen Lokale sind alle „klein und angenehm“, man isst in kleinen Portionen und trinkt dazu in kleinen Schlucken, bis man dann doch den großen Fetzen ausgefasst hat.

Bücher sind ja den berühmten Eisbergen ähnlich, wir sehen mit etwas Glück das Cover aus den Katalogen ragen und den Rücken aus den Regalen schimmern. Das Wesentliche und Dauerhafte der Literatur freilich bleibt uns meist verborgen und tritt nur durch Lektüre oder Veranstaltungen manchmal ins Licht der Wahrnehmung.

Georg Bydlinski betreut längst einen eigenen Kosmos an Kinder- und Jugendbüchern und ist ein Markenzeichen geworden, das sich noch immer mit Gitarre und guter Stimmung auf den Weg macht, um in Schul-Lesungen die Wahrnehmung für das leise Abenteuer des Alltags umzukrempeln. Anlässlich seines sechzigsten Geburtstages haben Freundinnen und Vorlassbetreuer einen Reader zusammengestellt, der die Poesie des Autors, seine erstaunliche Geradlinigkeit beim Dichten und seine positive Lebensphilosophie würdigt.

Seit Kindheitstagen träumen wir alle von einer Geheimsprache, mit der wir wichtige Dinge so verschlüsselt aussprechen können, dass uns die Freunde zuzwinkern und die „Kiwara“ blöd schauen. Die sogenannte Gaunersprache ist so eine Geheimsprache, im konkreten Fall ist sie noch zusätzlich verschlüsselt durch die Zeit, die an keiner Gaunersprache spurlos vorbeigeht.

Der legendäre Peter Wehle (Senior) hat sich seinerzeit zum sechzigsten Geburtstag eine Dissertation für das zweite Doktorat geleistet, damit er neben dem Kabarettprogramm, bei dem die anderen gelacht haben, auch selber etwas zu lachen hat. Die geniale Idee, über die Wiener Gaunersprache zu forschen, hat den Sprachforscher Wehle bald einmal an die Sprachgrenzen des Untergrunds gebracht. Das Buch ist seinerzeit ein Bestseller geworden und wird jetzt zum hundertsten Geburtstag seines Autors neu aufgelegt.

Die Philosophie ist an und für sich ein Massenphänomen, weil jeder Mensch zwischendurch etwas denkt und dabei das Gefühl hat, es könnte sich um etwas Philosophisches handeln. Die ausgewiesene Philosophie grenzt sich dagegen mit Insiderwissen, Fachausdrücken und einem geheimnisvollen Ritual ab, womit sich die Beteiligten gerne selbst in ein besonnen-verschrobenes Eck stellen.

Bosko Tomasevic ist in unseren Breitengraden vor allem als Lyriker bekannt, als Anwalt des Georg Trakl, und als erster Innsbrucker Stadtschreiber. Dabei gilt der Autor als anerkannter Metaphysiker, der seinen Gedichten jeweils einen poetologischen Überbau verschafft und umgekehrt Gedichte oft als „Fallbeispiele“ des Denkens niederschreibt.

„Der bewaffnete Aufstand, der unter der Bezeichnung »Pariser Kommune« in die Geschichte der Revolutionen eingegangen ist, dauerte 72 Tage: vom 18. März bis zum 28. Mai 1871. Es war die letzte revolutionäre Bewegung in Paris nach der Französischen Revolution von 1789, der Juli-Revolution 1830 und der Revolution im Februar und Juni 1848.“ (S. 7)

Der Aufstand der Pariser Kommune im Jahr 1871 wird den meisten deutschsprachigen Geschichtsbüchern nur kurz gestreift, als hieße es die Geister der Revolution der Proletarier erst gar nicht zu wecken, die vor fast 150 Jahren mit brachialer Gewalt niedergeschlagen worden sind. Thankmar von Münchhausen lieferte nun mit seiner Monographie eine detaillierte Geschichte der Ereignisse rund um den Aufstand der Pariser Kommune.

Ein Held, der von vorneherein als Medium angelegt ist, kann sich in punkto Wahrheit so gut wie alles leisten und ist der ideale Mittler zwischen Autor und Publikum.

Klaus Rinner führt seinen Steger-Kosmos, den er vor acht Jahren als „Herzensverdruss“ ausgelegt hat, mit dem Aktenvermerk „Verwerfungen und scheues Glück“ fort. Doktor Steger ist Rechtsanwalt, der aus seiner juristischen Haut nicht hinauskann, weshalb er sich die Welt juristisch deutbar zurechtlegt. Das funktioniert in den meisten Geschäftsfeldern der Gesellschaft, weil es schließlich zu jedem Thema Gesetze, Auslegungen und Gerichtsurteile gibt.

Es gibt so geheimnisvolle Landschaften, die man eher mit einem Märchen- oder Sagenreich verbindet als mit einem Staat. Und wenn aus einer Gegend ständig hervorragende Musiker, Maler, Schnitzer und Sprachkünstler kommen, dann wird jeder neugierig.

Tobia Moroder behandelt in seinem Kulturführer die Dolomitenladiner augenzwinkernd wie ein großes Volk. Auch bei den Ladinern tauchen Römer, Germanen und andere Völker auf, auch über die Ladiner wird immer wieder ein Netz geographischer Vermessung gelegt, und die daraus gezogenen Grenzen entsprechen nicht immer der Logik. Aber vielleicht macht gerade die Tatsache, dass die ladinische Kultur auf fünf Täler und drei Provinzen verteilt ist, die Dolomitenladiner so selbstbewusst und stark.

„Niemand, der mit offenen Augen durch die Lande geht, wird abstreiten können, dass Deutschland gerade dabei ist, sich selbst zu zerlegen. Der Glaube an den wenigstens bescheidenen Wohlstand für alle, der unsere Republik so lange zusammengehalten hat, ist zunehmend passé.“ (9)

Die von Ulrich Schneider geschilderten Zustände in Deutschland werden als Symptom eines hemmungslos auftretenden Neoliberalismus geschildert, der in mehr oder weniger abgeschwächter Form auch die meisten Länder Europas erfasst hat und seit zwei Jahrzehnten die soziale Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt. Das Buch zeigt auf, wie die zunehmende ökonomische Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft entstehen konnte und was kann nun dagegen unternommen soll?