Hans Winkler u.a. (Hg.) Franz Held

Tut weniger saufen und statt dessen mein Buch subskribieren, vielleicht gibt’s doch noch einen Rausch.

Diese literarisch-patriotische Aufforderung des Schriftstellers, Aussteigers und Emigranten Franz Held zur Publikation seiner Gedichte zeigt bereits den skurril-realistischen Zugang, den der Autor gegenüber seinen Zeitgenossen und der Welt überhaupt an den Tag legt.

Franz Held tiefstes Schicksal ist dabei, dass er schon zu Lebzeiten verloren geht, indem sein Werk versickert. Und heutzutage ist er höchstens noch in Randbemerkungen des Literaturbetriebes aufscheinig und als Inhaber eines ungeraden Lebenslaufes.

Die Polizei sucht ihn um 1900 und empfiehlt ihm, zum Verhör eine Zahnbürste mitzubringen, Franz Held taucht unter und dann in Südtirol wieder auf, schließlich wird er in Bozen in die Irrenanstalt gesperrt, was die Bozner Presse fast aus dem Häuschen bringt.

Die Herausgeber-Gruppe Winkler-Lanthaler-Hanni hat für die Auswahl vor allem Texte mit Südtirol-Bezug ausgewählt, und da gibt es jede Menge, vor allem wenn man augenzwinkernd in die Südtiroler Breite liest.

So tauchen im „Eispalast des Cristallo“ Figuren auf, die in ihrem dadaistischen Habitus Wiedergänger in der Gegenwart haben.

Der Pseudo-Fürst schlenderte durch die Spielsäle, um sich die närrischen Goldkäfer dort ein wenig anzusehn. (99)

Ein Gedicht über das romantische Dada in den Alpen startet mit den Zeilen:

Zwischen matten Wolkeninseln / Schwamm ein Adler, thalbezwingend; / An des armen Dörfleins Eingang / Hing ein Heiland, armeringend. (167)

Und in einem Langgedicht über den Don Quixotischen Helden Andreas Hofer geht es ruppig lasziv zu, wenn dieser kaum vom Pferd herunter findet, das er gar nicht bestiegen hat. (179)

Manches von Franz Held erinnert aus der Entfernung von hundert Jahren an Fritz von Herzmanovsky-Orlando, was das Figuren-Set oder die aufgehobene Plausibilität der Dialoge betrifft. Aber bei Franz Held steckt selbst im größten Vor-Dada noch immer ein gehörige Ladung politischen Sprengstoffs. Nicht umsonst taucht jäh die goldene Bombe auf, die nach der Explosion alles in Gold verwandelt, offensichtlich eine Vorwegnahme der Bummser-Szene.

Franz Held, lange vergessen, wird mit dieser wunderbaren „Jenesien-Ausgabe“ wieder zum Leben erweckt, mitten unter uns, als einer von uns.

Hans Winkler / Kurt Lanthaler / Martin Hanni (Hg.), Franz Held. Vordadaistische Texte aus Jenesien.
Bozen: Raetia 2012. 302 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-88-7283-429-9.

 

Weiterführender Link:
Edition Raetia: Hans Winkler u.a. (Hg.) Franz Held

 

Helmuth Schönauer, 04-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Franz Held

Buchtitel

Franz Held. Vordadaistische Texte aus Jenesien

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Edition-Raetia

Herausgeber

Hans Winkler / Kurt Lanthaler / Martin Hanni

Seitenzahl

302

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-88-7283-429-9

Kurzbiographie AutorIn

Franz Held (= Franz Herzfeld), geb. 1862 in Düsseldorf, wurde 1900 in Gries / Bozen aufgegriffen und in eine Bozner Irrenanstalt eingesperrt, er starb 1908 in der Landesirrenanstalt Valduna.<br />Hans Winkler, geb. 1955 in Rott am Inn, lebt in Berlin. Kurt Lanthaler, geb. 1960 in Bozen, lebt in Berlin. Martin Hanni, geb. 1975, lebt in Bozen.