Lina Hofstädter, Er und Sie

Manchmal besteht der Sinn der Liebe darin, dass die beiden Schmachtenden ums Verrecken nicht zusammenkommen dürfen.

Lina Hofstätter verwendet die Technik einer Doppelerzählung um das unmögliche Zusammendriften von Mann und Frau aufzudröseln. Er und Sie kriegen einerseits das autarke Feld eines kleinen Kurzromans zugeteilt, andererseits sind die beiden Teile untrennbar mit erzählerischen Widerhaken ineinander verschränkt und ließen sich nur unter großen Verwundungen trennen.

„Er“ heißt Leo und ist ein Unglücksrabe. Aus der Bank ist er offiziell wegen der Krise entlassen worden, seine Frau ist erinnerungsnah gestorben. Jetzt pendelt er tagaus tagein zwischen Recyclinghof und den peripheren Siedlungsgassen des Ortes hin und her. Regelmäßigkeit in den Tag bringen! heißt die Parole. Doch dann wird sein ehemaliger Chef erschossen aufgefunden, er ist mit seiner Jugendliebe Mo verheiratet gewesen.

Von nun an zieht es Leo immer näher an das Haus des Erschossenen heran, es gilt, der Witwe die Aufwartung zu machen, vielleicht lässt sich in der Liebe wieder dort anknüpfen, wo sie vor Jahrzehnten kindlich geendet hat. Die Liebeskreise werden von der Polizei freilich als Stalking ausgelegt und man führt ihn ab.

„Sie“ heißt Mo und ist die Gattin des Bankers, der erschossen worden ist. Das einzig verlässliche Gefühl ist die Liebe zum Kind. Das mit den Männern muss sie immer ökonomisch cool und pragmatisch anlegen, und auch dann geht es schief.

So ist die Ehe letztlich nur das billigste Abo aller denkbaren sexuellen Verbindungen. (155) Jetzt wird Mo von der Polizei malträtiert, vielleicht hat sie etwas mit dem Tod des Mannes zu tun. Es gelingt ihr, heimlich zum versteckten Geliebten zu fahren und ihn zur Schnecke zu machen, jetzt wo aufgeräumt wird.

Draußen schleicht indes immer enger dieser Leo heran. Mo lässt sich auf ein Gefühlsroulette ein und wird das als Liebe nehmen, was der Zufall entscheidet. Alles was passiert, ist dann einfach Schicksal.

Lina Hofstädter stellt die beiden Protagonisten auf verlorenen Posten in den Ring der Liebe. Er kann es nicht formulieren, was er letztlich will, und sie kann nur geschäftlich reagieren, ohne zu wissen, was es für ein Geschäft ist. Das Anknüpfen an nostalgische Jugendtage bringt genauso wenig wie das frisch kalkulierte Procedere aus der Bankenwelt.

Letztlich sind es die Begriffe Zufall und Schicksal, die am ehesten noch das Abdriften der beiden Figuren erklären können. Als Leser hat man unheimliches Mitleid mit den beiden und will ihnen ununterbrochen zuflüstern, wie sie es richtig machen sollen. – Ein interaktives Liebesdrama!

Lina Hofstädter, Er und Sie. Doppelerzählung.
Innsbruck: Limbus 2013. 167 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-902534-84-2.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Lina Hofstädter, Er und Sie
Wikipedia: Lina Hofstädter

 

Helmuth Schönauer, 07-10-2013

Bibliographie

AutorIn

Lina Hofstädter

Buchtitel

Er und Sie. Doppelerzählung

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

167

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902534-84-2

Kurzbiographie AutorIn

Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans.