Max von Gutleben, Solange noch Blätter auf den Bäumen sind …
Das Glück ist einerseits durch einfache Bilder ausgeflaggt und zwingt andererseits den Glücksuchenden zu unendlich ausufernden Schleifen, und zu allem Überdruss ist das Ende offen.
Der Glücksuchende im Hypo-Roman „Solange noch Blätter auf den Bäumen sind“ sichert sich gleich mehrfach gegen allzu eindeutige Entlarvungen seines Tuns ab.
Einmal verwendet der Autor Elias Schneitter das Pseudonym Max von Gutleben, um den ganzen Literaturtransfer vom Autor über die Kunstfigur bis hin zum Leser im Reich der deklarierten Fiktion anzusiedeln. Zum anderen sind in den Roman-Text zwei längere Stellen aus der Biographie eines echten Sozialisten eingeklebt, die verdeutlichen, dass es zwischen Wunschvorstellung, Wunschbiographie und Lebenswunsch keinen Unterschied gibt. Die vorgegaukelten Bilder hängen letztlich alle schief, die aufrechten Lebenspfade, an denen man sich orientieren möchte, führen verlässlich in den Morast.
In sechszehn Sequenzen, die jeweils wie auf einem Navi-Display potentielle Abbiegemöglichkeiten darstellen, werden richtige Entscheidungen verlässlich versäumt. In einem großen Blumengarten schwärmt die Mutter des Ich-Erzählers Max von ihrem Paradies, das sie mit Volksweisheiten umschreibt. Unter anderem geht auf dieses Paradies die Erkenntnis zurück: „Solange noch Blätter auf den Bäumen sind, wird der Schnee nicht liegen bleiben.“
Mutter ist zwischendurch schwer depressiv und muss vom Erzähler versorgt werden, der seinerseits das Leben nicht ganz richtig erwischt hat und nach Scheidung und beruflicher Giga-Karriere bei der Krankenkasse mit seinem Lebenslatein am Ende ist.
Immer wieder in den finanziellen Ruin getrieben wird die Idylle durch den Bruder des Erzählers, der als Anwalt zuerst die Kanzlei in den Sand setzt und später durch Spekulationen auch noch das Paradies vernichtet, auf dem letztlich ein steriler Wohnblock errichtet wird.
Alle Beteiligten haben nichts anderes im Sinn, als glücklich zu werden. Vielleicht aus diesem Grund gehen alle Ehen schief, hängen immer Prozesse und Gerichtstermine zwischen den Familienmitgliedern in der Luft und lösen sich alle Geschäfte im Desaster auf.
Ehe er kollabiert, fasst ein falscher Freund dieses Geschäftsmodell zusammen:
Geld muss Bewegung bringen, was gibt es Verrückteres, als Geld auf eine Bank zu legen? Geld ist reine Fiktion. Wie unser ganzes Leben reine Fiktion ist. Alles nur Einbildung. Eine Vorstellung. Eine Vision. (122)
In dieses Geldmodell ist eine gestandene Biographie eines Sozialisten eingeflochten, der gegen seinen Willen zur SS gekommen ist und später von der Partei dafür verhöhnt wird. Auch die Biographie eines politisch Engagierten ist letztlich nur Fiktion, die sich in Enttäuschung auflöst.
Max von Gutlebens Lebensträume werden ziemlich zusammengestutzt, aber seine Art, darüber punktgenau zu räsonieren, macht ihn unbezwingbar und frei, nichts kann ihn unterkriegen und auch der größte Unglücksschnee wird nicht liegen bleiben.
Max von Gutleben, Solange noch Blätter auf den Bäumen sind, wird der Schnee nicht liegen bleiben. Hypo-Roman.
Zirl: BAES 2015. 133 Seiten. EUR 15,50. ISBN 978-3-9503811-3-9.
Weiterführende Links:
BAES Verlag: Max von Gutleben, Solange noch Blätter auf den Bäumen sind …
Wikipedia: Elias Schneitter
Homepage: Elias Schneitter
Helmuth Schönauer, 09-02-2015