Reinhilde Feichter, Frieda und James Bond

Bildung entsteht letztlich dadurch, dass man sich als Individuum eine persönliche App in seine Psyche herunterlädt, die einem immer erklärt, was man zu tun hat.

Reinhilde Feichter lässt ihre Heldin Emeli Knolleisen so lange im Leben auflaufen, bis sie kapiert, wie es geht. Die Ich-Erzählerin geht dabei recht selbstbewusst vor, wenn es um sie selbst geht, schon die Geburt als Frühchen wird ein Abenteuer, bei dem Emeli als Siegerin hervortritt.

Später einmal bereitet der Name noch kurzen Aufruhr, weil die Einheimischen in Knolleisen unbedingt ein „sch“ unterbringen wollen. Überhaupt ist alles eine Sache des richtigen Einschätzens. Als das Kind in öffentlichen Veranstaltungen stets das Wort „Sitti“ für Südtiroler hört, denkt es an lustige Vögel, zumal die Herren im schwarzen Gewand ständig etwas Unverständliches ins Mikrophon zwitschern. In diesem Zusammenhang wird auch öfter etwas von Bombenlegern getuschelt, aber als Kind kann man es nicht richtig einordnen, ob das nicht ein Spiel ist.

Wie bei einem Verhör treten jetzt im Innern der Heldin böser Cop und guter Cop auf. Die böse Stimme gehört der Großtante Frieda, die nur so vor Selbstausbeutung und Selbstzüchtigung trieft. So ein Frieda-Satz heißt beispielsweise:

Zeige nie Freude, sonst erweckst du Neid! (29)

Diesem bösen Regelwerk steht James Bond gegenüber. Als zu Hause der erste Fernseher eingeschaltet wird, fällt im Probebetrieb das erlösende Motto, das James Bond ungerührt kühl ausspricht:

Bescheidenheit ist die höchste Form von Eitelkeit. (30)

Ab jetzt kämpfen diese beiden Einstellungen täglich mehrmals um die Vorherrschaft. Emeli lernt, im entscheidenden Augenblick nein zu sagen, sie erkennt rechtzeitig, wann Männer gefährlich werden, und kämpft sogar um ihr Recht auf Privatsphäre. Als sie einmal von einem Verkehrsplaner aus Versehen an einer Kreuzung geknipst wird, stellt sie ihn zur Rede.

Beruflich emanzipiert sich Emeli als Lehrerin, mit dem ersten Geld gibt es einen weißen Fünfhunderter-Fiat, der wirklich Freiheit bringt wie von James Bond versprochen. Selbst Ungemach geht gut aus, als man ihr eine einzelne Schneekette auf das Vorderrad wickelt, landet sie unter Gelächter im Straßengraben.

Als später die Selbstverwirklichungs-Seminare landauf landab angeboten werden, ist die Heldin erstaunt, dass sie mit ihrem Frieda-Bond-Programm schon längst auf eine funktionierende Psycho-App zurückgreifen kann. Und noch dazu in fröhlicher Weise, denn Emeli geniert sich nicht, auch einmal alles heraus zu lachen, wenn ihr danach ist.

Reinhilde Feichter bringt mit ihrem Selbstverwirklichungsroman die Leserschaft in den heiteren Bereich. Denn auch wenn Kindheit, Südtiroler Schwermut, Einheitspartei und gesellschaftliche Balken im Kopf oft nicht zum Lachen sind, mit der Leichtigkeit einer James-Bond-Phrase lässt sich in einer Phrasen-verliebten Gesellschaft beinahe alles überstehen.

Reinhilde Feichter, Frieda und James Bond. Roman.
Bozen: Edition Raetia 2015, 117 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-88-7283-540-1

 

Weiterführende Links:
Edition Raetia: Reinhilde Feichter, Frieda und James Bond
Lexikon Literatur in Tirol: Reinhilde Feichter

 

Helmuth Schönauer, 08-10-2015

Bibliographie

AutorIn

Reinhilde Feichter

Buchtitel

Frieda und James Bond

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Edition Raetia

Seitenzahl

117

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-88-7283-540-1

Kurzbiographie AutorIn

Reinhilde Feichter, geb. 1955 in Bruneck, lebt in Bruneck.