Roswitha Ladner, Hörgeräte - kein Indiz für „dumm“

Vorurteile sind nicht nur schmerzhaft ungerecht, sie sind meist auch ausgesprochen falsch. So gilt etwa in manchen Landstrichen die Brille als Zeichen für hohe Intelligenz der Trägerin, während ein sichtbares Hörgerät immer wieder die Aura von „dumm“ suggeriert.

Roswitha Ladner, seit einer unbehandelten Mittelohrentzündung in der Kindheit selbst mit Hörgeräten konfrontiert, erzählt von den Erfahrungen einer Anwenderin, die sich an die Richtlinien des Hörgerätegebrauchs hält.

Da mittlerweile die Gesellschaft Web-hörig geworden ist, das heißt, es gilt nur das, was man auf irgendeiner Seite aufrufen kann, nimmt die Autorin diese Web-Einträge zum Anlass für ihre Überlegungen. So gibt es Netz-Zitate zur Geschichte des Hörgerätes, Behandlung von Gehörschäden und pädagogische Maßnahmen für Schwerbeschädigte. Diesen akademischen Kommentaren werden die eigenen Erlebnisse gegenübergestellt.

So ist die Schwerhörigkeit immer auch mit Ausgrenzung und Unverständnis der Umwelt verbunden. Für die Autorin bitter, dass ihre Schädigung als Kind aus rein ökonomischen Gründen erfolgt ist, in den Fünfziger Jahren war es oft nicht möglich, die Kinder mit Sorgfalt ärztlich zu betreuen. Aber auch das Unverständnis, dass eine Schwangerschaft Hörschäden auslösen kann, sorgt schließlich nicht gerade für eine gelungene Integration in der Wellness-Gesellschaft.

Dabei gibt es einige Maßnahmen, wie jeder in der Kommunikation mit Menschen reduzierter Hörkraft punkten könnte. Kellner könnten die Rechnung vorlegen und nicht vom Tablett herunter lesen, am Telefon oder Fahrkartenschalter hilft Schreien gar nicht, es geht vielmehr um langsameres Sprechen. Die Fachkräfte für Hörgeräte sollten sich nicht nur um die Wirkungsweise des Gerätes kümmern sondern vor allem die Benützerinnen mit einer positiven Kultur der Anwendung bekannt machen.

Das ist überhaupt die Stärke dieses Buches: es geht nicht nur um die Möglichkeiten, die Wirkung von Sinnesorganen zu verbessern, sondern vor allem um die Stärkung der eigenen Persönlichkeit, um kräftigende Formulierungen für die Psyche und um die Ausweitung der individuellen Stärken. Manche dieser Annotationen sind als lyrische Meditation, als Ermunterungs-Gedicht oder als philosophische Forderung ausgeführt. Wenn erwiesenermaßen der Hörsinn der letzte ist, der beim Sterben erlischt, dann soll man gefälligst den Sterbenden das Hörgerät belassen, damit sie bis zum Schluss mit den Angehörigen kommunizieren können.

Roswitha Ladners „Hörgeräte-Fibel“ ist eine Unterstützung für die Trägerinnen, selbstbewusst mit dieser Technik umzugehen, und vor allem eine Erinnerung für die sogenannten Nativ-Hörenden, mit diesen Kommunikationshilfen pfleglich umzugehen und die Gegenüber nicht für dumm zu verkaufen.

Roswitha Ladner, Hörgeräte - kein Indiz für „dumm“.
Gösing/Wagram: Edition Weinviertel 2015, 73 Seiten, 9,90 €, ISBN 978-3-902589-56-9

 

Weiterführender Link:
Edition Weinviertel: Roswitha Ladner, Hörgeräte - kein Indiz für „dumm“

 

Helmuth Schönauer, 04-05-2015

Bibliographie

AutorIn

Roswitha Ladner

Buchtitel

Hörgeräte - kein Indiz für „dumm“

Erscheinungsort

Gösing/Wagram

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Edition Weinviertel

Seitenzahl

73

Preis in EUR

9,90

ISBN

978-3-902589-56-9

Kurzbiographie AutorIn

Roswitha Ladner, geb. 1955 in Zams,lebt in Tobadill.