Sigrid Neureiter, Kurschattenerbe

Seit im Südtiroler Grenzgebiet Bären zum Auffinden von wild abgelegten Leichen eingesetzt werden, erscheint alles, was in einem Südtiroler Krimi passiert, als höchst wahrscheinlich.

Sigrid Neureiters Krimi aus Südtirol spielt in der Kurstadt Meran und wirft sich gleich mitten in das Gewühle der Relax-Stadt. Ein aufgedonnerter Kongress über Oswald von Wolkenstein ist angesagt, Koryphäen aus den Branchen Musik und Wort tummeln sich auf den Promenaden und zwischen den Veranstaltungssälen herum, es wird viel zur Schau gegrüßt und hinterrücks getuschelt.

Leicht gestört wird dieses Treiben freilich durch die Ermordung eines Heimat-Malers, der es sich trotz seiner schrulligen Themen nicht verdient hat, so bieder erschlagen zu werden.

Die PR-Beraterin Jenny Sommer versucht alle News, die wegen des Kongresses und des Mordes unterwegs sind, in geordnete Bahnen zu bringen. So wird sie fast automatisch in den Fall hineingezogen, weil in der Kurstadt jener am gefährlichsten ist, der am meisten weiß.

Zusammengehalten wird diese permanente Gerüchteküche von der Zeitung „Meraner“, die auf Wahrheit und Flunkereien gleichermaßen das Monopol hat.
Als dann einer zickigen Geigerin ihr wertvolles Nachbau-Instrument aus dem Mittelalter gestohlen wird und ein vortragender Professor verschwindet, weitet sich der Fachkongress über Oswald zu einem Kriminal-Festspiel aus.

Eine gebürtige Ukrainerin aus Sotschi stakelt auf hohen Schuhen gefährlich schön durch den bedächtigen Kurort, sie investiert und macht seltsame Geschäfte. In Wirklichkeit hat sie ein Zeit-ferner Kontakt zu Oswald in die Stadt getrieben, da Oswald ja vor ihrer Haustüre im Schwarzen Meer ein Seeabenteuer nur knapp überlebt haben soll.

Liegt es nur an den mal links, mal rechts verklappten Augen des Oswald, dass plötzlich alles mit diesem größten Dichter Tirols zu tun hat?

Selbst die Kriminal-Sprache wird zwischendurch zu einer Dichtung, wenn nämlich der sogenannte Mörder eine Geigerin erwürgt, heißt es bei der Tatzeugin: „Sie sah Violas Körper erschlaffen!“ (249)

Das Verbrechen hat sich restlos dem gepflegten Kur-Stil zwischen Monarchie und dem olympischen Sotschi angepasst.

Sigrid Neureiter nimmt die Form des Krimis fast widerwillig zur Hand um schließlich das zu erzählen, was ihr am Herzen liegt. Der Umgang mit großen Themen mündet in kleinen gepflegten Resorts nämlich oft in einem Schattenreich.

Da trägt jede Person ihren Kurschatten hinter sich her, die Stadt Meran zieht die Monarchie auf einer Schleppe nach, die Kunstsinnigen und Oswald-Forscher weiden vergangene Kultur bei einem mehrgängigen Menü bis auf das Textgerüst aus. Und die lokale Presse schafft sich mit jeder Ausgabe eine neue Welt, die an ungeraden Tagen durchaus als Krimi angelegt ist. – Eine augenzwinkernde Provinzposse, worin jeder jedem einen Krimi-Bären aufbindet.

Sigrid Neureiter, Kurschattenerbe. Ein Krimi aus Südtirol.
Meßkirch: Gmeiner 2013. 280 Seiten. EUR 10,30. ISBN 978-3-8392-1434-3.

 

Weiterführende Links:
Gmeiner-Verlag: Sigrid Neureiter, Kurschattenerbe
Homepage: Sigrid Neureiter

 

Helmuth Schönauer, 25-07-2013

Bibliographie

AutorIn

Sigrid Neureiter

Buchtitel

Kurschattenerbe. Ein Krimi aus Südtirol

Erscheinungsort

Meßkirch

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Gmeiner Verlag

Seitenzahl

280

Preis in EUR

10,30

ISBN

978-3-8392-1434-3

Kurzbiographie AutorIn

Sigrid Neureiter, geb. 1958 in Salzburg, lebt in Wien.