Albert Borris, Zehn Gründe, die todsicher fürs Leben sprechen

Es gibt nichts, wofür es nicht einen Verein gibt. Der moderne Verein heißt heutzutage Community und wird über Internet organisiert.

In Albert Borris Roman „Zehn Gründe die todsicher fürs Leben sprechen“ treffen sich vier Jugendliche auf einer Selbstmörder-Plattform im Internet und planen eine finale Tour zu den wichtigsten Stationen dieser Erde, das heißt Amerikas.

Der Ich-Erzähler Owen hat schon drei Selbstmordversuche hinter sich und will es mit Hilfe von Fachleuten jetzt richtig angehen. Freilich juckt ihn auch das Angebot, eine selbstmörderische Tour zu den Gräbern von erfolgreichen Selbstmördern zu starten oder Locations aufzusuchen, an denen sich möglichst elegant ein Abgang verbuchen lässt.

Allein dass nie das korrekte Wort Suizid verwendet wird, sondern stets das augenzwinkernde, fast österreichische „Selbstmord“, verweist schon auf die Lust, sich diesem Phänomen der Selbstentleibung grotesk und übertrieben zu nähern. Die Übertreibung ist manchmal das beste Heilmittel gegen Sinn-Unterzuckerung.
Im Roman wird daher die Tour beschrieben, die Richtung Death Valley geht.

Eingeflochten sind die Chat-Sprüche, die das Entstehen der Vierer-Freundschaft beschreiben, und die Hintergründe, die bei den Protagonisten zum Spiel mit dem Tod führen. Herausragend sind jeweils Listen, die auf skurrile Weise Annäherungen an den Selbstmord bringen.

So gibt es die zehn bizarrsten Selbstmordarten, zehn Spitzensportler, die sich umbringen sollen, oder die zehn besten Selbstmordmythen, etwa Nummer zehn, Hitler tötet sich in einem Bunker, neun, Sokrates trinkt einen Schierlingsbecher.

Diese Listen eröffnen ungeahnte Diskussionen, denn wie bei jedem Ranking kann vortrefflich über die Auswahl und Wahrhaftigkeit der Behauptungen gestritten werden. Auch wird die Sinnhaftigkeit bewährter Geschichten in Frage gestellt, so hätten sich Romeo und Julia niemands umgebracht, wenn es damals schon das Handy gegeben hätte und sie sich über einander in Echtzeit hätten informieren können.

Die Truppe fährt durch Amerika, erzählt sich das Neueste über Tattoos, testet, wie ein Pistolenlauf schmeckt, wenn man ihn bloß ablutscht, streicht ein Gespräch über John Lennon schnell aus dem Gedächtnis, weil dieser nichts mit Selbstmord am Hut hat, und arbeitet so nebenbei die psychischen Störungen auf, die sie einander in die Arme getrieben haben.

So ist es kein Wunder, dass ihnen am Schluss ein fataler Selbstmord-Fehler passiert. Mehr aus Versehen denn aus Berechnung schreibt der Ich-Held seine zehn Gründe zusammen, wofür es sich lohnt zu leben.

Sterne an einem wirklich dunklen Himmel / Durchs Land fahren / Nirvana / Meine Mom / Unser Rudel / Schwulenbingo / Schlammschlachten / Küssen / Magic-Marker-Tattoos / Pinkfarbene Socken. (253)

Der Erzähler ist über diese Liste so baff, dass er die Selbstmord-Tour abbricht und in ein sinnvolles Leben umschwenkt, und es gelingt seltsam leicht.

Albert Borris, Zehn Gründe, die todsicher fürs Leben sprechen. A. d. Engl. von Eike Schönfeld. [Orig.: Crash into me, New York 2009], ab 14 Jahren
Hamburg: Carlsen 2013. 254 Seiten. EUR 14,30. ISBN 978-3-551-58276-8.

 

Weiterführender Link:
Carlsen Verlag: Albert Borris, Zehn Gründe, die todsicher fürs Leben sprechen

 

Helmuth Schönauer, 26-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Albert Borris

Buchtitel

Zehn Gründe, die todsicher fürs Leben sprechen

Originaltitel

Crash into me

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Carlsen Verlag

Übersetzung

Eike Schönfeld

Seitenzahl

254

Preis in EUR

14,30

ISBN

978-3-551-58276-8

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Albert Borris ist Jäger, Tramper, Marathonläufer und Autor in den USA.<br /> Eike Schönfeld, geb. 1949 in Rheinsberg/Brandenburg, lebt in Hamburg.