Anna Seidl, Es wird keine Helden geben

Kann eine Sechzehnjährige einen Roman über das weltbewegende Thema eines Amoklaufs schreiben? – Ja, denn auch die Amokläufer und Opfer sind meist sechzehn!

Anna Seidl startet den Roman „Es wird keine Helden geben“ amokartig mit schuss-kurzen Sätzen. Die Erzählerin Miriam hat sich in der Schule verspätet und ist noch am Klo, um sich für den Unterricht zu restaurieren, als der Amok losgeht. Hektik, Lärm und Chaos breiten sich dort aus, wo üblicherweise langsames Schlurfen und perfekte Ordnung angesagt sind.

Und dann blitzt auch noch das Gesicht des Schützen auf, es ist Mathias aus der Parallelklasse. „Erst überleben, dann trauern!“ (12) heißt die Parole. Tobi, der beste Freund der Erzählerin, ist offensichtlich tot, der Rest befindet sich in Auflösung.

Amok klingt nach Amerika, denkt sich die Erzählerin, als der Lärm vorbei ist und die Gegenmaßnahmen einsetzen. Niemand hat einen Plan, weshalb zuerst die Sanitäter und später die Psychologen kommen. Die Psychologen begleiten das Chaos wochenlang und schaffen eine gewisse Ordnung, indem sie Geschichten zu Tage fördern und Struktur in die Überlebenden hineinzubringen versuchen.

Die nächsten Wochen verschwimmen ineinander, das ist der Eindruck, der sich über die Trauer legt. Miriams Stimmung schwankt zwischen Wut auf alles, Trauer und Schuldgefühlen. Denn der Amokschütze ist in seiner Vorzeit als Schüler ordentlich gemobbt worden. Jeder hat ein bisschen dazu beigetragen, dass die Lage eskaliert ist.

Die offiziellen Trauerfeiern sind geprägt von Hilflosigkeit und leeren Worten, die Rituale sind hohl wie ein schlechtes Fernsehprogramm, alles ist aus dem Ruder gelaufen. Aber nicht nur Miriam ist am Limit, auch die anderen Mitschülerinnen reagieren extrem, eine Freundin bringt sich um, weil sie keine geraden Linien mehr ins Heft kriegt.

Sicher ist es der Drang, perfekt zu sein, der alle überfordert. Wir machen es selbst so kompliziert. – Allmählich entwickelt Miriam befreiende Sätze zusammen mit der Psychologin. Vielleicht hilft jetzt auch eine Auszeit, die Ferien sind da. Um uns herum leben alle weiter! (229)

Anna Seidl erzählt von dem schwarzen Loch, das sich in den Figuren ausbreitet, wenn sich der erste Schrecken gelegt hat. Der Text ist immer wieder unterbrochen durch die Zeichnung eines Einschusses, der durch alle Gedankengänge und Stimmungen geht. Während auf der einen Ebene die rationale Welt in gerader Schrift zur Ordnung schreitet, treten in Protokollschrift kurze Geschichten und Episoden auf, die dem Unsagbaren eine Handlung verleihen. – Nach einem Amoklauf ist die Welt aus den Fugen, und es ist schon gar kein Platz für Helden darin.

Anna Seidl, Es wird keine Helden geben. Ab 14 Jahren
Hamburg: Oetinger 2014. 251 Seiten. EUR 15,40. ISBN 978-3-7891-4746-3.

 

Weiterführende Links:
Oetinger Verlag: Anna Seidl, Es wird keine Helden geben

 

Helmuth Schönauer, 21-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Anna Seidl

Buchtitel

Es wird keine Helden geben

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Oetinger Verlag

Seitenzahl

251

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-7891-4746-3

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Anna Seidl, geb.1995 in Freising, lebt in Aschaffenburg.