Jay Asher, Tote Mädchen lügen nicht

asher_m%C3%A4dchen.jpgFür manche Helden scheint der Sinn des Lebens darin zu bestehen, einen spektakulären Abgang hinzulegen. Immerhin entsteht bei den Hinterbliebenen ein paar Augenblicke lang das Gefühl der Betroffenheit und der Frage nach dem Warum, ehe der Lauf der Zeit wieder alles zuschüttet.

Jay Asher nimmt die Methode des akustischen Museums-Führers als Vorlage für seine "Abgangsgeschichte". Das Mädchen Hannah hat sich umgebracht und wichtige Erlebnisse mit altertümlicher Technik auf Kassetten gesprochen. Dreizehn Personen kriegen jetzt Kassetten und eine Liste mit den beteiligten Personen. Im Sinne einer Stadtrallye geht es an die markantesten Punkte des kurzen Lebens von Hannah.

Einer der Zwangsbeglückten ist Clay. Er kann sich zuerst nicht erklären, was er mit dem Tod von Hannah zu tun haben soll. Umständlich hört er die Kassetten ab und besucht auch die entscheidenden Tat-Orte. Bald muss er feststellen, dass seine Liebe zu Hannah von ihr eher aus Verzagtheit denn aus Ablehnung nicht erwidert worden ist. Und jetzt ist natürlich alles zu spät.

Ähnlich ergeht es den anderen Beteiligten. Einer hat zu viel gegrapscht, ein anderer hat sich als Spanner geoutet, selbst der Englischlehrer hat eine verdeckte und verdreckte Anmache auf sich geladen. Und den Girls ergeht es nicht viel anders, im Cheerleader-Seminar fällt so das eine oder andere unbedachte Wort und letztlich ist sogar Zicken-Alarm angesagt.

Die Kassetten ergeben ähnlich einem Museumführer einen Geschichtsablauf, der zwar in sich logisch, generell aber auch sehr zufällig ist. Vor allem ist jede persönliche Geschichte zutiefst subjektiv, unberechenbar und in sich verschlossen. So etwas wie Öffentlichkeit entsteht erst durch den Kassetten-Nachlas, der den verzweifelten Kampf von Hannah um ihre Anerkennung kund tut.

Jay Ashers Vermächtnis-Roman ist eine stille Abrechnung mit Vorurteilen und Klischees. Nichts kommt offensichtlich beim Gegenüber so an, wie es geplant ist, und andererseits fallen natürlich im Laufe eines Tages ununterbrochen miese und kränkende Bemerkungen, das scheint in einer Gesellschaft mit vielen oberflächlichen Sätzen so üblich zu sein.

Die Botschaft ist zweierlei: Jede noch so unbedeutende Kleinigkeit kann vielleicht eine große Seelenkatastrophe auslösen, also Kids, reißt euch am Riemen. Und: So kränkend können Dinge gar nicht sein, dass man sich deshalb umbringt. Also, reißt euch zusammen und bringt euch nicht um. Denn durch einen Selbstmord wird niemand unsterblich und die Hinterbliebenen haben nur Ärger und ein schlechtes Gewissen damit.

Erzähltechnisch ist dieses ständige Hin-und-her-spulen zwischen Band-Text und Echtzeit etwas anstrengend, aber in der Literatur gilt ja das zeitlose Gesetz: Jeder Nachlass ist anstrengend!

Jay Asher, Tote Mädchen lügen nicht. A. d. Amerikan. von Knut Krüger. [Orig.: Thirteen Reasons Why, New York 2007], ab 13 Jahren
München: cbt 2009. 282 Seiten. EUR 15,40. ISBN 978-3-570-16020-6.

 

Helmuth Schönauer, 26-04-2010

Bibliographie

AutorIn

Jay Asher

Buchtitel

Tote Mädchen lügen nicht

Originaltitel

Thirteen Reasons Why

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

cbt

Übersetzung

Knut Krüger

Seitenzahl

282

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-570-16020-6

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Jay Asher, geb. 1975 in Arcadia, lebt in Kalifornien.