Marco Kunst, Der Schlüsselträger und die grauen Könige
„Merkwürdige, schicksalhafte Ereignisse brachten Unheil über Myr. Graue Könige besetzten den Thron, einer nach dem anderen gleichgültig und grausam. Myr verarmte und versank in Vergessenheit.“
Timeo lebt mit seinem Vater Finus im Wald nahe der Stadt Myr. Er war noch nie in der Stadt, kennt dafür aber den Wald wie seine Westentasche und schwingt sich hoch über dem Boden von Ast zu Ast. Eines Tages beginnen sich jedoch merkwürdige Dinge im Wald zu ereignen. Menschen werden zu Stein: der Gräuel erwacht.
Das junge Mädchen Manou macht sich auf die Suche nach ihrem Vater, wo sie auf Timeo trifft. Die beiden müssen erkennen, dass die Zeit des neuen Gräuels angebrochen ist, die Wicken im Wald zu wuchern beginnen und alles Leben, das sie berühren zu Stein verwandeln. Timeos Vater, der Schlüsselträger, sieht die Zeit gekommen, nach Myr zurückzukehren, um, wie es das Lied einer alten Legende befiehlt, dem König den Schlüssel zu bringen, mit dessen Hilfe die Menschen vor dem Gräuel gerettet werden können.
Wen der grüne Gräuel trifft, / wird durch die Starre kalt berührt, / erscheint vom Sterben mitgeführt, / durch Steines Angst entführt. / Wird dann der Gräuel rasch verjagt, / durch das Opfer, weise, alt, / für viele neu das Leben tagt. / Nur manche bleiben kalt …(34)
Als sich die drei mit dem Schlüssel auf den Weg in die Stadt machen wollen, werden sowohl Timeos Vater als auch Manou Opfer der Wicke und zu Stein. Timeo gelingt es mit letzter Kraft, sich in die Stadt zu retten, um dem König den Schlüssel zu übergeben.
König Aeon bereitet sich mittlerweile, angetrieben von seinem Obersten Sachwalter Malin, auf seine Opferung vor, mit dem er den Gräuel besänftigen und Einhalt gebieten soll. Es gibt jedoch eine Möglichkeit sein Leben zu retten:
Ihr könnt einen anderen Euren Platz einnehmen lassen … Fall es Euch gelingt, jemanden zur Eiche mitzunehmen, und falls Ihr denjenigen so weit bekommt, dass er freiwillig an Eurer Stelle durch Tor geht … dann … (74)
Als Timeo dem König den Schlüssel übergeben will, dringt die Wicke bis in den Thronsaal vor. Dem König gelingt es Timeo in den Wald zur riesigen alten Eiche zu locken, wo er ihn an seiner Stelle dem Gräuel opfern will. Keiner von beiden ahnt, welch entscheidende Rolle der Oberste Sachwalter Malin in Wirklichkeit spielt.
Marco Kunst gelingt mit seinem Roman „Der Schlüsselträger und die grauen Könige“ eine klug durchdachte Geschichte, in der sich Vergangenheit und Gegenwart sowie der Wunsch nach ewigem Leben auf mystische Weise ineinander verweben. Die Leserinnen und Leser werden von der ersten Seite an in die düstere Welt der grauen Könige gezogen und dringen gemeinsam mit den beiden Helden Timeo und Manou immer tiefer in ihre Geheimnisse vor.
Ein spannendes, beunruhigendes und dennoch fesselndes Fantasyabenteuer abseits des gängigen Genres, das beeindruckende und eigene Stimmungsbilder zu erzeugen vermag und mit seiner Frage nach dem Wesen der Unsterblichkeit eine außergewöhnliche Tiefe erreicht. Ein überaus empfehlenswerter Fantasyroman für alle jugendlichen Leserinnen und Leser, die Fantasy-Geschichten lieben und sich gerne auch überraschen lassen.
Marco Kunst, Der Schlüsselträger und die grauen Könige. Ill. v. Eva Schöffmann-Davidov, übers. v. Rolf Erdorf [Orig. Titel: De Sleuteldrager], ab 11 Jahren
Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2013, 224 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-8369-5734-2
Weiterführende Links:
Marco Kunst, Der Schlüsselträger und die grauen Könige
Wikipedia: Marco Kunst
Andreas Markt-Huter, 27-08-2014