Martin Baltscheit / Christine Schwarz, Das Gold des Hasen
„Es war einmal ein Hase. Schon am ersten Tag seines Lebens fürchtete er den zweiten. Er fürchtete die Nacht und den Hunger. Er fürchtete das Wetter und jede Überraschung. Der Hase ging niemals schwimmen, kletterte nicht auf Bäume, blieb immer allein und hielt sein Geld zusammen.“
Von niemandem bemerkt, stirbt der Hase und hinterlässt eine Truhe voller Gold. Während er im Leben keine Freunde oder Bekannte hatte, versammelten sich nach seinem Tod alle Tiere auf der Wiese. Der Hase hatte nämlich ein Testament hinterlassen.
Letzter Wille / Hiermit vererbe ich mein Gold dem größten Angsthasen im Wald. Unterzeichnet / Hase
Die Eule macht den Vorschlag aller Tiere anzuhören und so festzustellen, wem als größten Angsthasen die Schatztruhe voll Gold gehören soll. Damit wird das Weiteifern der Tiere um den Titel des größten Angsthasen eröffnet.
Die Eule hat immer Angst etwas Falsche zu sagen, während die Schlange sich davor fürchtet, als Lügnerin zu gelten und für immer zu schweigen beschließt. Die Mäuse halten dem entgegen, dass die Mausangst ist einzig wahre Angst sei, weil sich niemand vor so vielen Feinden zu fürchten habe. Die Hühner wiederum führen an, dass sie bereits mit Fuchsangst zur Welt kommen. Noch weitere Tiere verlangten den Titel des größten Angsthasen für sich wie der Karpfen, der Wurm, oder die Raupe.
„Und was hab ich?“, überschlug sich die Eintagsfliege. „Ich habe nicht einmal eine Zukunft!“ „Wer keine Zukunft hat, dem nützt auch keine Angst davor“, sagte die Eule.
Bis zum Abend überbieten sie sich immer mehr mit ihren Ängsten, bis sich zur Überraschung aller plötzlich der Wolf um Hilfe rief und von seiner Angst vor dem Rotkäppchen, der Großmutter, dem Jäger, den sieben Geißlein und den drei kleinen Schweinchen erzählt. Einstimmig wählen die Tiere den Wolf zum größten Angsthasen und Erben des Hasen. Der Trick mit dem der Wolf die anderen Tiere getäuscht hat, wird bald schon zu seinem Verhängnis.
Martin Baltscheits und Christine Schwarz Geschichte „Das Gold des Hasen“ ist eine düstere Parabel zur alten Volksweisheit „Geld macht nicht glücklich“ aber auch dass man sich zu Tode fürchten kann, oder der Gegensatz von Sein und Haben. Sowohl der Hase als auch der Wolf bleiben auf ihrem Schatz sitzen, verfolgt von der Angst ihn wieder zu verlieren. Anstatt eines freien Lebens schaffen sie sich einen Käfig voller Angst.
Eine überaus tiefsinnige und tiefgründige Fabel, mit schaurigen und dennoch schönen Bildern, welche die junge Leserinnen und Leser lange nicht los lassen wird und zum Nachfragen und Diskutieren mit Erwachsenen auffordert, die der Inhalt der Geschichte sicherlich auch nicht gleichgültig lässt.
Martin Baltscheit / Christine Schwarz, Das Gold des Hasen. Ill. v. Martin Baltscheit / Christine Schwarz, ab 5 Jahren
Weinheim: Verlag Beltz & Gelberg 2013, 48 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-407-79524-3
Weiterführende Links:
Verlag Beltz & Gelberg: Martin Baltscheit / Christine Schwarz, Das Gold des Hasen
Wikipedia: Martin Baltscheit
Andreas Markt-Huter, 16-04-2014