Patricia McCormick, Verkauft

Buch-Cover

So unterentwickelt kann eine Gesellschaft gar nicht sein, dass darin nicht Prostitution, Versklavung und Ausbeutung die Hauptstränge der Wirtschaft wären. Die Sexualität ist offensichtlich der wahre Motor der Wirtschaft, unabhängig von deren Entwicklungsstufe.

Im nepalesischen Bergland in einer sprichwörtlichen Gegend hinter den sieben Bergen wächst Lakshmi auf. Armut, Mangel an Schulbildung, archaische Familienstrukturen begleiten das Mädchen, die Welt ist nach eigenen Wertvorstellungen eingerichtet. Beispielsweise bedeutet es das höchste Glück, das Haus mit einem Blechdach decken zu können.

Als Lakshmi dreizehn wird, tun sich plötzlich seltsame Dinge. Der erziehende Onkel kauft sich einen wertvollen Hut, eine Tante schwärmt von einer großen Stadt, in der es wunderbar zugehen soll.

Kurzum, Lakshmi wird verkauft und tritt eine lange Wanderung an. Bereits an der Grenze muss geschmuggelt und getäuscht werden, immer wieder wechseln Bündel von Geld die Besitzer, ehe Lakshmi in Kalkutta in einem Bordell landet.

Mit völlig unzureichenden Mitteln wird das Mädchen in die brutale Welt der sexuellen Dienste im "Haus der Heiterkeit" eingeführt. Gewalt, unzureichende Aufklärung, medizinische Katastrophe sind die Begleiterscheinungen, und wie ein eisernes Gesetz zieht sich die Ausbeutung durch die Tage. Vom Geld, das die Männer zahlen, sieht das Mädchen nichts, es kann sich ausrechnen, dass es Jahre dauert, bis sie wieder frei kommt.

Mit der Zeit lernt Lakshmi die Spielregeln der Prostitution kennen, wie die Männer zu behandeln sind, wie Stammkunden bei Laune gehalten werden können, wie man mit Kondomen die ärgsten Krankheiten verhindert.

Manchmal tue ich so, als würde das, was nachts passiert, wenn die Kunden kommen, nicht mir selbst passieren. Ich stelle mir vor, dass es eine Fernsehsendung ist, die ich aus weiter, weiter Ferne betrachte. Ich stelle mir vor, dass ich einen Knopf habe, der alles zum Schweigen bringt. Und einen anderen, der mich verschwinden lässt. (182)

Die Welt der Prostituierten verläuft nach geheimnisvollen Spielregeln, die das Mädchen inzwischen gut gelernt hat. Außerdem bringt ihm ein Straßenjunge die ersten Spielregeln von lesen und schreiben bei. Einmal taucht sogar ein guter Weißer auf, der Lakshmi befreien wird, er ist ein guter Amerikaner und bei diesen Typen weiß man bis zum Schluss nie, ob sie ihre Versprechen genauso verlässlich einhalten wie ihre Verbrechen.

Das Ende verläuft turbulent und bringt die seltsame Erkenntnis, dass das Mädchen jetzt vierzehn geworden ist.

Patricia McCormicks Aufklärungs-Roman ist eine unter die Haut gehende Reportage über die Hinterseite der Sexwirtschaft. Die Heldin steht am anderen Ende der irdischen Lüste und bekommt alles übergekübelt, was es an Benachteiligungen auf dieser Welt gibt: Leben ohne Bildung, primitive Wirtschaftsform, brutale Männerwelt, Karriere als nette Tante und Puffmutter. Warum der Sex so ist, wird freilich nicht erklärt. Er macht die Männer einfach zu Bösen und basta.

Patricia McCormick, Verkauft. A. d. Amerikan. von Alexandra Ernst. [Orig.: Sold, New York 2006].
Frankfurt: S Fischer 2008. 311 Seiten. EUR 8,20. ISBN 978-3-596-80717-8.

 

Weiterführender Link:
Fischerverlag: Patricia McCormick, Verkauft

 

Helmuth Schönauer, 30-04-2010

Bibliographie

AutorIn

Patricia McCormick

Buchtitel

Verkauft

Originaltitel

Sold

Erscheinungsort

Frankfurt a. M.

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Fischer

Übersetzung

Alexandra Ernst

Seitenzahl

311

Preis in EUR

11,50

ISBN

978-3-596-80717-8

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Patricia McCormick lebt in New York.